© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Ferdos Forudastan. Die Sarrazin-Kritikerin wird neue Sprecherin Joachim Gaucks
Die Falsche
Stefan Hug

Menschenverachtende Ergüsse“ in einem „krausen Buch mit falschen Zahlen und biologistischen Thesen“, das ein „feindseliges und verrohtes Bürgertum“ in Deutschland gerne annehme, da der Autor „gegen Türken und Araber hetzt“. So verriß Ferdos Forudastan in der Frankfurter Rundschau Thilo Sarrazins Bestseller „Deutschland schafft sich ab“.

Die wütende Reaktion kam nicht von ungefähr – gehört die Journalistin, die Jura und Politik studiert hat, doch seit vielen Jahren zu jener Multikulti- und Integrationslobby, für die ungeregelte Massenzuwanderung und die Neudefinition Deutschlands als Vielvölkerstaat zum unantastbaren Credo gehören. Sarrazins nüchterne Befunde und empiriegesättigte Analysen über die Fehlentwicklungen der jüngeren Einwanderungsgeschichte, sein unaufgeregtes Bekenntnis zur deutschen Kultur, mußten da wie ein rotes Tuch wirken.

Forudastan, 1960 in Freiburg im Breisgau als Tochter eines Iraners und einer Deutschen geboren, arbeitet unermüdlich daran, die Identität der Deutschen in Frage zu stellen beziehungsweise als hybrid zu definieren. Auch für die hierzulande angeblich diskriminierten Muslime wirft sie sich in die Bresche. Ein Grundtenor ihrer Publikationen und Aussagen: Ethnische und religiöse Konfliktlinien sind allein auf soziale Benachteiligung zurückzuführen, der natürlich nur mit gezielter Förderung des ausländischen Nachwuchses beizukommen. Ihre Arbeit betreibt sie von einer etablierten Position aus; sie ist ein rühriger Medienprofi. Forudastan moderiert im Deutschlandfunk und im WDR, schreibt für die Badische Zeitung, taz, Frankfurter Rundschau und andere Zeitungen. Bereits 1989 erhielt sie den renommierten Theodor-Wolff-Preis, sechs Jahre später den Pressepreis des Deutschen Anwaltvereins. An Hochschulen in Hamburg und Dortmund lehrt sie Journalismus.

Für eine gute Vernetzung bürgt auch ihr Ehemann Michael Vesper, mit dem sie drei Kinder hat und in Köln lebt. Der Diplom-Soziologe, Gründungsmitglied der Grünen, ehemalige Minister in NRW und heutige Sportfunktionär fiel zur Olympiade 2008 übrigens dadurch auf, daß er die Zensur in China damit rechfertigte, daß ja auch in Deutschland rechtsradikale Internetseiten gesperrt würden.

Am 1. September wird Forudastan nun neue Sprecherin von Bundespräsident Joachim Gauck. Das konservative Lager in Deutschland hatte gehofft, daß der Nachfolger Wulffs für Überraschungen gut sei. Eine Überraschung ist die Ernennung Forudastans durchaus. Eine Frau mit dieser Haltung zur Sprecherin zu küren, hätte man eher einem Präsidenten mit sozialdemokratischem oder grünem Hintergrund zugetraut. Die Zukunft wird zeigen, ob diese quotengerechte Personalentscheidung eine einmalige Volte Gaucks bleibt oder ob sie Indiz wird für seine Anpassung an den politischen Zeitgeist.

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