© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 26/11 24. Juni 2011
Objektiv? Von wegen! Wer bei Google den Begriff „Wikipedia-Opfer“ sucht, der erhält als ersten Treffer den Wikipedia-Eintrag zum Begriff „Opfer“. Damit ist das ganze Dilemma derjenigen Internetnutzer beschrieben, die mit der Internetseite über Kreuz liegen: Sie haben keine Plattform. Wer gesperrte Autoren sucht oder Personen, die sich durch „ihren“ Wikipedia-Eintrag verunglimpft fühlen, der muß umständlich nach ihnen suchen. Die Möglichkeiten von Betroffenen, sich gegen falsche Darstellungen in der Online-Enzyklopädie zu wehren, sind begrenzt. Gegendarstellungen sind nicht durchzusetzen, Chefredakteure nicht kontaktierbar. Die Problematik wird in den großen Medien selten aufgegriffen. So bleibt den Opfern einseitiger Darstellung nur die Möglichkeit der Kritik auf eigenen Internetseiten. Und diese nehmen zu. So warnten vor kurzem die „Bürger in Wut“: „10 Jahre Online-Enzyklopädie Wikipedia. Kein Grund zum Feiern!“ Die Wählervereinigung bemängelt seit Jahren die einseitige Darstellung von Wikipedia (siehe Interview Seite 3). „Wie objektiv ist Wikipedia?“ fragt der Historiker Heinz Nawratil auf seiner Netzseite. Unbedeutende Vorträge von ihm würden herausgestellt, andere hingegen blieben unerwähnt. Zwielichtige Quellen würden für polemische Kritik herangezogen. Der globalisierungskritische Autor Manfred Julius Müller vermutet auf seiner Webseite über die „Meinungshüter von Wikipedia“, daß es „organisierte Lobbyisten“ waren, die von ihm eingefügte Links nachts sofort gelöscht hatten: „In drei Minuten konnte sie kein Mensch gelesen und beurteilt haben.“ Ähnliches findet sich auch abseits direkter Politikthemen. Der Informatiker Thomas Hofmann schließlich kritisiert das seltsame Phänomen, daß ein einzelner Wikipedia-User über 5.000 Artikel veröffentlicht und korrigiert hat und zugleich als Wächter gegen Veränderungen auftritt. |