© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Olaf Scholz hat den Wahlsieg vor Augen
Hamburg: Die SPD kann zwischen Grünen und CDU als Koalitionspartner wählen
Sverre Schacht

Umfrageergebnisse machen Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) derzeit wenig Freude. Nach aktuellen Erhebungen kommt die nach dem Ende der deutschlandweit ersten schwarz-grünen Koalition auf Landesebene seit November alleinregierende CDU in der Hansestadt derzeit auf gerade einmal 22 Prozent der Stimmen –  nur einen Prozentpunkt mehr als der ehemalige Koalitionspartner. Die SPD dagegen kann am 20. Februar auf eine Rückkehr an die Macht hoffen. Sie sehen die Demoskopen bei 41 Prozent.

Die Zahlen bestätigen der Union erneut, daß eigene Inhalte nebst Glaubwürdigkeit während der schwarzen Messe der ungleichen Koalition dem grünen Partner geopfert wurden. Die Wahlurne droht Maß der Entfremdung von der Basis zu werden. SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz gilt in der Stadt bereits als Wahlsieger.

Der größte Vorteil des 52 Jahre alten gebürtigen Hamburgers vor dem 41jährigen Heidelberger Ahlhaus ist zugleich sein größter Nachteil. Scholz steht als ehemaliger Arbeitsminister für bundespolitische Entscheidungen der Großen Koalition, die seine Partei nun bekämpft. Dem jahrelangen Niedergang der Elb-SPD entfloh er  einst nach Berlin. Das spektakuläre Scheitern seines landespolitischen Schützlings Bülent Ciftlic fand erst im November einen Schlußpunkt – Ciftlic wurde aus der Partei ausgeschlossen, nach Verurteilung wegen Vermittlung einer Scheinehe.

Doch das spielt angesichts des Chaos der schwarz-grünen Koalition im Wahlkampf kaum eine Rolle. Zu groß ist die Wut der Bürger auf faule Kompromisse, Sparzwänge und verfehlte Prestige-Projekte. Daß die schwarz-grüne Machtoption keineswegs tot ist, wie grüne Landespolitiker beteuern, sagt Grünen-Chef Cem Özdemir: Schwarz-Grün bleibe weiter möglich. Ex-Umweltsenatorin Anja Hajduk kann sich an der Spitze der Hamburger Grünen trotz allem einen Stimmzuwachs erhoffen.

Derweil lassen Ahlhaus und Scholz seit ihrem ersten direkten Schlagabtausch wenig Profil erkennen. Amtsinhaber Ahlhaus macht „ideologische Blockaden“ der Grünen für Fehler verantwortlich. Er ist nach wie vor beschäftigt, schwarz-grüne Kompromisse zu erklären, von denen er sich verabschieden will. Leisesprecher Scholz gelingt es hingegen nicht, die CDU beim entscheidenden Thema Haushalt in die Enge zu treiben. Man wolle über die jetzigen Kürzungen nachdenken, so der SPD-Kandidat. Ahlhaus läßt im Duell genüßlich „schon mal die Kasse mitlaufen“. Dabei hat er als Mitverantwortlicher der finanziellen Dauerlasten Elbphilharmonie und HSH-Nordbank wenig Grund zur Häme. Bei der Inneren Sicherheit mache ihm niemand etwas vor, sagt er – und spricht nicht gern von den brutalen Übergriffen im öffentlichen Raum der Hansestadt.

Auch Scholz bietet mit seinem Vorstoß eines Alkoholverbots im öffentlichen Nahverkehr keine überzeugende Antwort. Die Grünen kündigen unterdessen eine „liberale Innenpolitik“ an. In der Bildungspolitik schlägt Ahlhaus immerhin nach dem Aus der von ihm mitverantworteten Schulreform neue Töne an. Die „ideologischen Hemmnisse“ gibt es nicht mehr, beteuert er und: „Hamburg ist kein Öko-Paradies. Wir sind Industriestadt, wir sind Hafenstadt“. – späte Einsicht. Scholz kündigt immerhin einen „neuartigen“ Wahlkampf an. Er will Bundesprominenz, allen voran SPD-Chef Sigmar Gabriel, soweit wie möglich aus dem Wahlkampf heraushalten. Nur ein gemeinsamer Auftritt mit dem einstigen Pop-Beauftragten der Partei ist derzeit geplant. Die SPD setzt ganz auf Scholz und die soziale Karte. Den Wahlkampfauftakt legten die Genossen in einen als sozialer Brennpunkt bekannten Stadtteil.

Die CDU hingegen hofft auf  Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) als Unterstützer. Dabei muß sie sich mit dem SPD-Werben um enttäuschte Wähler abfinden. Scholz kämpferisch: „Wir müssen uns darum kümmern, der Wirtschaft wieder eine Priorität in der Politik zu geben.“ Auf die Frage, woher das Geld für solche Versprechen kommt, antwortet Scholz à la CDU mit dem Rasenmäherprinzip: „Das muß man im ganzen Haushalt einsammeln.“

Er kündigt an, den Haushalt zu sanieren und spricht den Grün-Alternativen die Meinungsführerschaft ab: „Tatsächlich ist es so, daß wir bei den Fragen, die für die Zukunft wichtig sind, vornan stehen.“ Grüne Primarschulpläne kontert er mit dem Verweis auf den Volksentscheid zur Schulreform, einer Großen Koalition erteilt er ebenso eine Absage wie einem Bündnis mit der Linkspartei. Es scheint fast, als sei mit Scholz die alte, traditionsbewußte SPD kurzzeitig wiederbelebt – bis zur offenbar unumgänglichen Koalition mit den Grünen. „Wir haben den Anspruch, wieder Verantwortung zu übernehmen“, sagt Grünen-Parteichefin Katharina Fegebank.

Hoffnung auf eine neue Partei, die Hamburgs politische Landschaft aufmischen könnte, ist dagegen nicht in Sicht, seit Walter Scheuerl, der mit seiner Bürgerbewegung „Wir wollen lernen“ die Schulreform zu Fall gebracht hat, bei der CDU angeheuert hat.

Foto: SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz : Von der Spree zurück an die Elbe

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