© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Gefahr der Aussortierung
Der Kulturmanager Michael Schindhelm fordert erneut die bessere internationale Vermarktung der „Kulturweltmacht Deutschland“
Oliver Busch

Wenn sich Regierungen im Mittleren und Fernen Osten damit beschäftigten, welches Kulturmodell für ihre Planungen der nächsten Jahrzehnte relevant sein soll, komme Deutschland nicht mehr vor. Überhaupt finde man, so klagt der als „internationaler Kulturberater“ tätige und kurzfristige Generaldirektor der Opernstiftung in Berlin, Michael Schindhelm, in den Strategiepapieren vieler nicht-westlicher Regierungsorganisationen „nicht einmal mehr Europa“ als potenziellen Partner in deren auswärtiger Kulturpolitik. Dabei gehe es um weit mehr als darum, ob die Oper in Hongkong oder ein Theater in Dubai sich an New York oder an Berlin orientieren. Der studierte Quantenchemiker und spätere Theaterintendant spricht aus eigener Erfahrung, da er 2009 seinen Versuch erfolglos abbrechen mußte, aus der Boomtown Dubai eine Kulturmetropole zu machen. Dort lernte er jedoch „das einheimische Modell der Kulturförderung und -vermittlung mit mehr Respekt zu betrachten“, da man „draußen“ erkennen mußte, „wieviel schlechter als in Deutschland es Künstlern und ihren Organisationen ergehen kann“.

Schindhelm kommt wie schon in Gastkommentaren an anderer Stelle deshalb immer gern wieder auf seine Definition der Kultur als „Soft Power“ zurück. Derzeit gebe es drei Weltsysteme, die kulturell um Einfluß und Macht über Bewußtseins- und Handlungsstrukturen ringen: die USA mit ihrem Modell des schrankenlos „freien“ Kapitalismus, Europas „soziale Marktwirtschaft“ und das wirtschaftspolitische Zwittersystem Chinas im Verein mit Alliierten wie Indien, Rußland oder auch erfolgreichen islamischen Staaten. Deutschland mit dem dichtesten Theater- und Orchesternetz der Welt, das ein Fünftel der wichtigsten 100 Gegenwartskünstler stellt und die höchsten kommunalen Kulturetats vorzuweisen habe, müsse im globalen Ringen um kulturellen Einfluß seinen in reichem Maß vorhandenen „heimlichen Schatz“ der „Soft Power“ besser zur Geltung bringen. Dafür schlägt Schindhelm die Einrichtung einer „Denkfabrik“ von Kunst, Diplomatie, Wissenschaft und Wirtschaft vor, um den „deutschen Begriff von öffentlicher Kultur und Aufklärung, Meinungsfreiheit und Gleichheit“ international darzustellen (Kulturaustausch, Zeitschrift für internationale Perspektiven 4/2010).

www.ifa.de/pub/kulturaustausch/

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