© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Lockerungsübungen
Ehrenamt mit Zukunft
Karl Heinzen

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht entfällt auch der Rechtsanspruch des Staates, jene jungen Männer, denen ihr Gewissen von der Teilnahme an Kriegen abrät, zu einem zivilen Ersatzdienst heranzuziehen. Was bei der Bundeswehr gewollt ist, nämlich der Verzicht auf nutzlose Esser, die es in Kasernen aufwendig zu betreuen gilt, erfüllt so manche Wohlfahrtseinrichtung mit Sorge. Nicht alle Zivildienstleistenden mögen in der Vergangenheit zwar Aufgaben wahrgenommen haben, die für unsere Gesellschaft unverzichtbar sind. Kostengünstiger als auf dem Arbeitsmarkt rekrutiertes Personal waren sie aber allemal. Der Hoffnung, Freiwillige würden die Lücke schließen, will sich niemand hingeben – aus gutem Grund: Zwangsarbeit heißt nun einmal so, weil sie eben bloß unter Zwang geleistet wird. Zwar gibt es weiterhin Menschen, die gemeinnützige Aufgaben übernehmen, ohne dafür mehr als ein wenig öffentliche Anerkennung zu verlangen. Ihre Zahl ist aber rückläufig, und alle Imagekampagnen für das „Ehrenamt“ blieben bisher fruchtlos.

Es ist daher nicht unmotiviert, daß sich der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, Rudolf Seiters, in einem Interview nun mit radikalen Vorschlägen vorgewagt hat. Er regt an, daß die „Zeitspenden“, die ehrenamtlich Tätige leisten, als steuerlich abzugsfähig deklariert werden. Vor allem aber sollten die Arbeitgeber ein derartiges Engagement als berufliches Praktikum oder Weiterbildung würdigen und es bei der Personalauswahl berücksichtigen.

Seiters ist zugute zu halten, daß er den Kern des Problems erkannt hat. In einer Marktgesellschaft kann als wertvoll nur gelten, was seinen Preis hat. Arbeit, die mehr als Spleen oder Hobby ist, muß sich lohnen. Finanzielle Anreize wie Steuererleichterungen sind daher ein Instrument, um ehrenamtliche Tätigkeit zu fördern. Da es jedoch deren Wesen ausmacht, daß sie eben möglichst wenig kosten soll, ist zusätzlich Druck aufzubauen. Hier sind die Unternehmen als die Zuständigen für die Erzwingung von Mehrarbeit der richtige Ansatzpunkt. Erst wenn sie ihren Beschäftigten zu verstehen geben, daß die Sicherheit des Jobs und ein Fortkommen in demselben mehr als die Wahrnehmung betrieblicher Aufgaben, sondern auch gemeinnütziges Engagement erfordern, ist das Ehrenamt auf eine solide Grundlage gestellt.

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