© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Rückwärts will die Seele fliehn
Geheimnislose Taschenspielereien: Michael Triegels Bilder in Leipzig
Sebastian Hennig

Das Vorhandensein des Göttlichen gerade in der Abwesenheit des Gottes auszuhalten mahnte Martin Heidegger mit Versen aus Hölderlins Ode „Germania“: „Und rückwärts soll die Seele mir nicht fliehn/ Zu euch, Vergangene! Die zu lieb mir sind, / Denn euer schönes Angesicht zu sehn, / Als wärs, wie sonst, ich fürcht es, tödlich ists, / Und kaum erlaubt, Gestorbene zu wecken.“

Michael Triegel scheut sich nicht, die Götter im Munde zu führen. „Verwandlung der Götter“ heißt seine Personalausstellung im Leipziger Kunstmuseum, die ein umfangreicher Bildband im Hirmer-Verlag München begleitet. Seine Götter läßt er tanzen wie Marionetten an zweifellos gut getarnten Strippen. Aber es bleiben Puppen, deren Fäden immer wieder auf den Lenker zurückführen.

Ein sehr gewöhnlicher und beflissener Macher zeigt sich da. Auf die Frage nach seiner Konfession meinte Triegel in einem Interview, er würde gern glauben können. Egal, denn in der Malerei geht es nicht um Religiosität, sondern um ästhetische Gewißheiten. Zu solchen kann das unverbindliche Umspielen von geistigen Kategorien und stofflichen Oberflächen nicht führen. Triegels Gemälde sind selbst keine sicheren Tatsachen, denn es mangelt ihnen das Gegenwärtige. Gegenwärtig, nicht mißzuverstehen im Sinne des Zeitgeistes, sondern als die auratische Präsenz des Werkes aus eigener, innewohnender Kraft. Zu sehen sind aber lediglich kunstgewerbliche Illustrationen, handwerkliches Machwerk. Darin bekundet sich ein Symptom amusischer Zeiten, daß das Künstlerische ins Handwerkliche gezogen wird und das Handwerkliche Kunststatus beanspruchen will.

Die Essays der Ausstellungskataloge deuten an, daß sich Bände mit intellektuellem Geschwätz zu jedem einzelnen dieser Bilder füllen lassen. Aber die Malerei selbst ist geheimnislos und völlig exoterisch. Keine Wiederkehr Raffaels, sondern nur: Bellini – neu verföhnt! Sammlung nicht Ablenkung sollte gute Kunst bereiten. Der Nihilismus ist nicht nur leer und grau, er kann sich zuweilen auch überfüllt und grellfarbig manifestieren.

Die beschworenen alten Maler waren bei aller sinnlichen Virtuosität von einer geradezu militanten Geistigkeit. Man denke an Michelangelos zweifelsüchtige Sonette, Botticellis Savonarola-Anhängerschaft und Tintorettos glühende Bekenntnismalerei in San Rocco. Dagegen ist Triegel ein frivoler Jongleur, ein Salonlöwe. Spengler bemerkte zu Ferdinand Hodler, dessen Figuren wirkten, als ob sie Hanteln aus Pappmaché stemmten. Schlimmer noch sind Triegels Märtyrer und Heroen, traurige Masken, die sich der Betreiber eines Ein-Mann-Varietés, der bereits am Einlaß die Karten abgerissen hat, dann den Vorhang aufzieht und später zwischen den Stuhlreihen fegen wird, nacheinander anschminkt. Eine „Convenience Art“ für die Feinfrost-Spiritualität eiliger Kunstpassanten.

Die Vorbilder kennen diese, wenn überhaupt, vorwiegend vom Farbdruck, und an die Grellheit von Kunstkalendern erinnern die Triegelschen Taschenspielereien in geschmäcklerischer Weise. Denn bei aller Koketterie des Artisten kränkt den Betrachter hier kein spröder Eigenwille des Autors. Die altmeisterliche Lasurmalerei besticht nicht durch eine erreichte Tiefe des vorgestellten Bildraums, sondern mehr durch die gefällige Glätte der Oberfläche. Eine sterile gleichwertige Schärfentiefe beherrscht die gesamte Malschicht, alles dringt nach vorne. Es gibt keine Zusammenfassung zu Bildmassen, die in irgendeiner Ordnung zueinander gewichtet sind.

Dabei sind ganze Bildfigurationen entlehnt von Caravaggio, Bellini, Hans Memling oder Tintoretto. Hier gilt: Wer Kunstwerke nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte Kunstwerke in Umlauf bringt, der wird von derselben Zeit bestraft werden, die er jetzt so beflissen bedient. Man denke nur an Hans Makart und Wilhelm von Kaulbach. Traue keinem unter siebzig, und zu allerletzt den jungen Maler-Stars, deren epochale Bedeutung uns die Kunstmuseen in großen Retrospektiven glauben machen möchten.

In Leipzig geht es in dieser Art weiter: Auf die Raffaello-Praline Michael Triegel folgend wird im Sommer die Rembrandt-Torte Matthias Weischer serviert. Ungeheuerliches wird dann auch über dieses Genie verbreitet werden. Aber mit Hölderlin/Empedokles gesprochen: Es ist die Zeit der (Maler-)Könige nicht mehr. Gewiß wird auch heute da und dort noch gut und inspiriert gemalt. Doch die Museumsleute verbringen ihre Zeit lieber mit Galeristen statt in den Ateliers der Künstler. Diese Tatsache spiegeln ihre Sammlungen und Ausstellungen dann wider.

Die Ausstellung „Michael Triegel. Verwandlung der Götter“ ist bis zum 6. Februar im Museum der Bildenden Künste Leipzig, Katharinenstr. 10, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch von 12 bis 20 Uhr, zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint im Hirmer-Verlag, München, eine gleichnamige Monographie, herausgegeben von Richard Hüttel. Der Band mit 220 Seiten und 190 Farbabbildungen kostet an der Museumskasse 29,90 Euro. www.mdbk.de

Foto: Michael Triegel, Portrait Papst Benedikt XVI., Mischtechnik auf Holzfaserplatte, 2010: Gefällige Glätte der Oberfläche

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