© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/11 07. Januar 2011

Sieben Bewährungsproben für die Kanzlerin
Landtagswahlen: 2011 werden die politischen Karten neu gemischt
Paul Rosen

Wahrscheinlich hat Angela Merkel, ohne dies groß beabsichtigt zu haben, eine Wahrheit in ihrer Neujahrsansprache ausgesprochen, als sie davon redete, Europa stehe derzeit „inmitten einer großen Bewährungsprobe“. Was zu Helmut Kohls Zeiten noch als verbale Überhöhung durchgegangen wäre, ist jetzt bitterer Ernst geworden. Die Gefahr des Auseinanderbrechens des Euro-Raumes läßt bereits heute weitere Gefahren durchschimmern, die den Zusammenhalt des alten Kontinents sprengen könnten.

Die Berliner Koalitionäre predigen jedenfalls die Notwendigkeit politischer und finanzieller Stabilität in Europa: „Für die Stabilität des Euro müssen alle Regierungen in Europa umdenken“, fordert etwa der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder. Und FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger ergänzt, daß Deutschland bei der Haushaltssanierung Vorbild sein müsse, „damit wir von anderen Euro-Staaten solide Haushalte einfordern können“. Dies dürfte ein guter Vorsatz bleiben, und in Europa dürfte es nur Fortschritte oder eine brüchige Stabilisierung des Euro geben, solange die Bundesrepublik als Zahlmeister der EU weitere Bürgschaften für den Euro gibt und weitere Lasten für Europa schultert. Dies geht so lange gut, bis steigende Kapitalmarktzinsen irgendwann auch Deutschland erfassen und das ganze Euro-Kartenhaus zusammenfallen lassen.

Innenpolitisch stehen Kanzlerin und Parteiführungen der Koalition vor einem alles andere als angenehmen Jahr. Sieben Wahlen in den Ländern stehen an. Zwar ist die Mehrheit im Bundesrat für Union und FDP bereits verloren, aber es gilt immerhin, wichtige Bundesländer wie Baden-Württemberg zu verteidigen, das seit den Anfängen der Republik ohne Unterbrechung von der Union regiert wird. Länder wie Sachsen-Anhalt und Hamburg dürften mit dem Abtritt der bekannten Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und Ole von Beust verloren sein; in Rheinland-Pfalz erscheint die vielversprechende CDU-Nachwuchsfigur Julia Klöckner noch zu jung, um dem alten Fuchs Kurt Beck von der SPD das Amt abzujagen. Bremen und Mecklenburg-Vorpommern dürften ein SPD-Heimspiel werden. In Berlin bekommen die Bürgerlichen ohnehin kein Bein mehr auf die Erde. Es geht in der Hauptstadt nur um die Frage, ob die Grünen es mit Renate Künast schaffen können, die vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit repräsentierten Sozialdemokraten auf den zweiten Platz zu verweisen und erstmals das Amt eines Regierungschefs zu erobern.

Danach sieht es in Baden-Württemberg immer weniger aus, nachdem die mediale Aufmerksamkeit für die Proteste gegen „Stuttgart 21“ nachgelassen hat. Viele Wähler haben registriert, daß die Grünen Kristallisationspunkt aller Nein-Bewegungen sind und der Satz von Michael Glos (CSU), wonach der Farbfernseher die letzte Erfindung war, gegen die die Grünen nichts einzuwenden hatten, unverändert gilt. Vielleicht hatte die frühere Öko-Partei vor ihrem Parteitag den Höhepunkt öffentlicher Zustimmung erreicht. Der Sinkflug begann auf jeden Fall, als sie die Olympischen Winterspiele in München ablehnte.

Ob Angela Merkel am Ende des Jahres noch Kanzlerin und CDU-Chefin ist, läßt sich schwer vorhersehen, Guido Westerwelle wird seine führende Rolle in der FDP aber auf jeden Fall verloren haben. Für Merkel hängt viel davon ab, wie die CDU in den Ländern abschneidet und ob das zu erwartende Ein- oder sogar Wegbrechen der FDP in den Landtagen durch andere Bündnisse mit den Grünen oder wieder mit der SPD kompensiert werden kann. Längst geht es der CDU nicht mehr um Inhalte, sondern um die mit den Ministersesseln verbundene Macht. Merkel hat ihre Partei so weit nach links geöffnet, daß Bündnisse mit der auch unter Sigmar Gabriel weiter schwachen SPD problemlos und mit den Grünen immerhin schon knirschend möglich sind.

Gegenwehr gegen die weitere Aushöhlung der CDU-Substanz ist nicht zu erwarten, solange die Funktionärskaste mit 30 bis 35 Prozent und einem Koalitionspartner rechnen kann. Das kann die FDP kaum noch sein, es sei denn, ihr würde nach der Ära Westerwelle ein kometenhafter Wiederaufstieg gelingen. Dafür fehlt es aber an geeignetem Personal. Erst wenn die Prozente schlechter werden und die FDP aus allen Landtagen fliegen sollte, könnte Merkel unter Rücktrittsdruck kommen und die Gefahr des Auseinanderbrechens der Union steigen. Mit anderen Worten: Der Wähler kann einiges verändern – wenn er nur will.

 

Landtagswahlen 2011

Termin                         Bundesland

20. Februar                  Hamburg

20. März                      Sachsen-Anhalt

27. März                      Baden-Württemberg

27. März                      Rheinland-Pfalz

22. Mai                        Bremen

4. September               Mecklenburg-Vorpommern

18. September             Berlin

Foto: Angela Merkel: Wird die Kanzlerin am Ende im Regen stehen?

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