© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/10 16. April 2010
Keine Nacht der Langen Messer Als Besucher würde man wohl eher enttäuscht sein, sagt das Farmerpaar Rheta und Andries Smuts (Name geändert). Er hat stark an Gewicht zugenommen und lebt ziemlich zurückgezogen auf seiner Farm. Nur ab und zu kauft er vielleicht mal in der Stadt ein. Ventersdorp im August 2009, einer Kleinstadt im nordwestlichen Südafrika: Es geht um keinen Geringeren als um den Rassistenführer (Spiegel online) Eugène TerreBlanche. Vielen Buren, Nachfahren der ab 1652 ins südliche Afrika eingewanderter Holländer, Flamen, Franzosen und Deutschen, erscheint für einen Moment ein Funkeln in den Augen, aber auch ein peinlich berührtes Lächeln auf dem Mund, wenn sie an den kürzlich ermordeten Chef der Afrikaaner Widerstands-Bewegung (AWB) denken. Daß er es noch einmal in die Weltpresse schaffen würde, hätte damals niemand mehr gedacht. Doch nicht eine flammende Rede vor Tausenden Anhängern oder das triumphal inszenierte Einreiten zu Pferde ins Gefängnis sind Anlaß des erneuten Pressehalls. Den bärtigen Savannenbär ereilte das gleiche Schicksal wie schon über eine halben Million Menschen seit 1994: Mord. Nach einem Lohnstreit machten zwei halbstarke Farmjungen am 3. April diesen Jahres kurzen Prozeß mit ihrem Herrn. Dabei hatte er sich doch gewandelt, mögen seine Farmnachbarn dieses fruchtbaren Landstreifens heute einwenden. Vor allem habe er als Wiedergeborener Christ zu Gott gefunden. An den nationalistischen Kampf um ein unabhängiges Buren-Reich erinnern nur noch das AWB-Denkmal in der Ortsmitte sowie jener große Ochsenwagen im Garten des beschaulichen Familienhauses, wo Ehefrau und Tochter wohnen. Auch die beiden wollen nicht mit Fremden reden. Man muß das verstehen, sagt ein Nachbar. TerreBlanche sei auf Bewährung. Sobald er politisch aktiv würde, ginge er erneut direkt ins Gefängnis. Es gab andere Zeiten: Anfang der 1990er Jahre kämpfte die AWB mit bis zu 70.000 fanatischen Anhängern gegen den Transformationsprozeß von der weißen Minderheits- zur schwarzen Mehrheitsregierung. Bis heute leben viele Buren in dem Gefühl, man habe ihnen ihr Eigentum genommen. Doch mit einem Aufstand ist nicht zu rechnen: Die Afrikaaner stellen nur sechs Prozent der Bevölkerung und haben im großen und ganzen ihre Farmen und Häuser behalten dürfen. Die politische Aussichtslosigkeit eines gewaltsamen Kampfes gegen die schwarze Bevölkerungsmehrheit bewies zuletzt der Bürgerkrieg in Rhodesien von 1972 bis 1979. Wenn Nelson Mandela, der Garant der Regenbogennation, sterbe, so sind nicht wenige überzeugt, werde der schwarze Mob über sie herfallen. Und auch wenn die strengeren Waffengesetze vor allem gegen die weißen Haushalte und weniger in den verworrenen Vorstadtghettos durchgesetzt werden konnten, werde Gott ihnen beistehen, wie er es schon 1838 gegen eine gewaltige Zulu-Übermacht am Blutfluß im Natal getan habe. Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Legende des Sehers Nikolaas van Rensberg, eines Propheten im Burenkrieg vor über hundert Jahren, ist, daß das Deutsche Reich auferstehen und seinen Blutsverwandten in der afrikanischen Weite zur Hilfe eilen werde. Die europäischen Erfahrungen mit den Gräueln der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs sind kaum Teil des afrikanischen Bewußtseins. Und so erinnert das schwarz-weiß-rote Emblem der AWB (Triskele mit drei aneinander gefügten Siebenen) nicht von ungefähr an das Hakenkreuz. Es sollte ein Seitenhieb gegen die ungeliebten Engländer sein. Für die internationale Außendarstellung war es ein Desaster und eine historische Ironie, wenn man bedenkt, daß Israel im geheimen zu den wichtigsten Partnern der erzkonservativen Nationalpartei gehörte, welche Südafrika von 1948 bis 1994 regierte. Und so einig waren sich auch die Träger der Apartheid nie gewesen: Während der progressive Flügel eine Zukunft der Weißen nur darin sah, Südafrika gemäß seinen kulturellen Bruchlinien zu teilen, lehnte der nationalistische Teil die Idee ab, auf weite Farmländereien und billige Arbeitskräfte zu verzichten. Das Attentat auf Premier Verwoerd 1966 zementierte den Status quo und schloß jeden Ausweg. Auch Rechtsaußen TerreBlanche hatte daran seinen Anteil. Daß ausgerechnet seine AWB im Frühjahr 1994 mit paramilitärischen Einheiten in das Bantustan Bophuthatswana einrückte, um die schwarze Regierung von Lukas Mangope gegen die weiße südafrikanische Armee zu schützen, ist eine weitere historische Ironie. Die größte jedoch ist in einem Gespräch mit einem der Kämpfer von damals zu erfahren: Cappo Fourie lebt auf seiner Farm im Natal. Gegenüber Weißen extrem gastfreundlich, macht Fourie aus seiner Abneigung gegenüber den schwarzen Kaffern keinen Hehl. Nach langen Monologen stellt er sein Burenvolk jedoch in eine Reihe mit den Zulus: Wir leben in der Natur wie sie, züchten Rinder wie sie, wehren uns wie sie und haben große Familien wie sie. Für Europa sind die Afrikaaner in keiner Weise resozialisierbar, und das Wort Haßliebe würde ihr Verhältnis zu den Schwarzen wohl noch am ehesten beschreiben. So verwundert es nicht, mit wem TerreBlanche seine letzten Stunden verbrachte. |