© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/09 28. August 2009
Nicht einmal ein Kaffeekränzchen Vergnügtes, teils auch schadenfrohes Grinsen und Kichern in der Berliner Medienwelt: Die Neuauflage des Springer-Tribunals, zu der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner auf Initiative des Chefredakteurs der Tageszeitung Die Welt, Thomas Schmid, für kommenden Oktober eingeladen hatte, fällt ins Wasser. Sämtliche Linksaktivisten aus dem Ur-Tribunal von 1968, von Christian Semler über Daniel Cohn-Bendit bis hin zu Peter Schneider (seinerzeit bekannt unter dem Kampfnamen Mr. Enteignet-Springer), haben abgesagt. Die Affäre verröchelt mangels Masse. Sie war von Anfang an ein merkwürdiger Wechselbalg, eine Riesenfarce, eine Schnapsidee des Großen Vorsitzenden Döpfner, der seit seinem Machtantritt bei Springer der Wahnidee anhängt, Springer und die Top-Rabauken von 68 müßten sich endlich versöhnen, Fehler eingestehen, sich gegenseitig entschuldigen. Was das alles soll, weiß niemand. Geschichte kann man nicht ungeschehen machen, und die Ereignisse von 68 sind längst Geschichte. Übrigens: Wer hätte denn beim Tribunal Nummer 2 auf der Springer-Seite, der Angeklagtenseite, Platz nehmen sollen? Die meisten Beteiligten sind doch längst tot, Peter Boenisch, Mathias Walden, Enno von Löwenstern, Rudolf Stiege, vor allem Axel Springer selbst. Die wenigen Überlebenden, Herbert Kremp oder Günter Zehm (damals Die Welt), Dieter Strunz (damals Berliner Morgenpost), würden sich einer Einladung natürlich ebenso verweigern wie Semler, Schneider & Co. Allein: Sie sind gar nicht erst gefragt worden. Angepeilt war von Döpfner und seinem Adlatus Thomas Schmid (ehedem neben dem Straßenschläger Joschka Fischer Mitbegründer der Gruppe Revolutionärer Kampf, heute Chefredakteur der Welt-Gruppe im Springer-Verlag ) offenbar kein Tribunal oder sonst eine halbwegs ernsthafte Veranstaltung, sondern eine Art Kaffeekränzchen im Zeichen besonnter Vergangenheit. Und irgendein Fotograf von Bild sollte daraus wohl ein hübsches Gruppenbild für die lesende Spaßgesellschaft machen. Zuviel Aufwand für eine total nullige Sache. Geschäfte, die etwas einbringen sollen, sehen anders aus. |