© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/09 24. Juli / 31. Juli 2009

WIRTSCHAFT
Gefährliche Briefe
Wilhelm Hankel

Vor 42 Jahren schrieb der damalige Bundesbankpräsident Karl Blessing seinem Kollegen in den USA einen Brief, in dem er als „Sicherheit“ für das von der Bundesregierung gegebene Versprechen, von den GIs in deutschen Supermärkten ausgegebene US-Dollar nicht in D-Mark umzutauschen (um so die US-Zahlungsbilanz zu entlasten), die Überführung der bislang im bankeigenen Keller lagernden deutschen Goldreserven in dortiges Gewölbe ankündigte – anfallende Lagergebühren würden erstattet. Das „Rheingold“ wurde verschifft, kleinere Partien, der Gleichbehandlung wegen, in London und Paris hinterlegt. Die neugierige Frage des von der CDU verstoßenen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, ob das dort noch immer lagere, wurde 2005 von der Bundesregierung mit dem Hinweis auf das Bankgeheimnis ausweichend beantwortet.

Einem ähnlichen Brief – 1988 vom damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher geschrieben – verdankt Deutschland den Verlust der D-Mark. Im Anschluß an die „Europäische Akte“ von Hannover bot der Ex-FDP-Chef die Vorverlegung der Europäischen Währungsunion (EWU) an. Der Brief erregte den Unwillen seiner Fachkollegen im Wirtschafts- und Finanzressort, doch Kanzler Helmut Kohl beschwichtigte. Die Antwort auf den Genscher-Brief kam nach dem Fall der Mauer aus dem Dreieck London, Paris und Rom. Wiedervereinigt sei Deutschland zu mächtig, als daß sich Europa die D-Mark als Stabilitätsanker leisten könne – Kohl leuchtete dieses „Argument“ ein. Das Lissabon-Urteil des Verfassungsgerichtes läßt hoffen, daß ähnliche Briefe künftig dem Bundestag vorgelegt werden müssen. Ob es dann genügend fragende Hohmanns geben wird, ist offen. Doch das Auslagern und Verschenken deutschen Staatsvermögens wird wohl schwieriger.

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