© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/09 13. März 2009

Betriebsunfall in Multikultopia
Gesellschaftspolitik: Eine Studie der Amadeu-Antonio-Stiftung zum Antisemitismus unter Moslems in Deutschland drückt sich vor einer klaren Antwort
Fabian Schmidt-Ahmad

Eine positive Eigenschaft besitzt der Islam für die deutsche Gesellschaft – er wirkt entlarvend. Denn mit seiner zunehmenden Dominanz wird es zusehends schwieriger, die vielen in der Vergangenheit liebgewonnenen Lebenslügen weiter im Alltag zu gebrauchen. Wer heute gegen einen angeblichen Sexismus der deutschen Gesellschaft wettert und ihn mit „Gender Mainstreaming“ ausrotten will, aber peinlich darauf achtet, das gelebte islamische Frauenbild mitten unter uns zu übersehen, der zeigt sich als derjenige, der er ist: ein großer Heuchler.

Und wie mit dem vermeintlichen Kampf für die Frauenemanzipation ist es mit anderen hohen und hehren Werten, die man sich hierzulande vollmundig auf die Fahne schreibt. Auch die angebliche Bekämpfung des Antisemitismus gehört hierzu. Ein medialer Sturm der Entrüstung wütete in Deutschland, als man Papst Benedikt XVI. antisemitische Tendenzen anhängen wollte. „Vieles, was dem Papst jetzt unterstellt wird, ist beinahe bösartig, jedenfalls unredlich“, stellte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) dazu fest.

Daß Lammert für diese Aussage seinerseits scharf angegriffen wurde, stellt um so deutlicher das große Schweigen heraus, welches herrschte, als nur wenige Wochen zuvor anläßlich der israelischen Militäroperation im Gaza-Streifen nicht ein virtueller, sondern ein ganz konkreter, gewalttätiger Antisemitismus muslimischer Einwanderer losbrach.

Dieses immer krasser werdende Mißverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit macht es auch etablierten Lobby-Organisationen im „Kampf gegen Rechts“ zusehends schwerer, weiterhin den eigentlichen Antisemitismus in Deutschland zu ignorieren. Ausdruck davon ist die Studie „Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus“ der Amadeu-Antonio-Stiftung.

Darin wird immerhin sachte ein Betriebsunfall in „Multikultopia“ angedeutet. Natürlich, die Erklärungsmuster sind die gleichen geblieben. Wenn muslimische Jugendliche auf Juden eintreten, tragen selbstverständlich die Deutschen die Schuld: „Auf der Grundlage einer christlich-europäisch, sich aufgeklärt wähnenden ‘Leitkultur’ werden Muslime und ihre Religion immer wieder pauschal und in kolonialistischer und rassistischer Manier als zurückgeblieben, unaufgeklärt und mitunter als terroristisch diskriminiert. Hier dominiert ein kulturalistisch-rassistisches Bild der anderen. Diese ‘sollen bleiben, wo sie hingehören’ oder sich anpassen und angleichen.“

So schwadroniert der Islamwissenschaftler und Mitarbeiter bei der Bundeszentrale für politische Bildung, Jochen Müller. Lösungsvorschläge, was man mit den Jugendlichen machen soll, die nicht „bleiben, wo sie hingehören“ oder sich nicht „anpassen und angleichen“, haben er und die übrigen Autoren der Studie freilich nicht.

Es sei denn, man nennt dies Lösung, was beispielsweise die Mitarbeiterin am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Lisa Rosa, vorschlägt. In der Betreuung einer Gruppe von zwölf jungen Erwachsenen, davon vier aus Einwandererfamilien, will sie ausgemacht haben, daß der herkömmliche Schulunterricht ein Desinteresse an der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten bewirke, dem sie mit einem individualistischen Lehrkonzept entgegentrat: „Es sind nicht die Schüler, die ‘problematisch’ sind. Es ist der traditionelle Unterricht, der Probleme beim Lernen macht.“ Offensichtlich stand Rosa noch nie vor einer Klasse mit 80 bis 100 Prozent arabischen und türkischen Kindern, an denen sie ihren Individualismus hätte ausprobieren können.

Nur einmal blitzt auf den fast hundert Seiten der Studie die Erkenntnis auf, daß der muslimische Antisemitismus kulturell bedingt ist: „Nach der Einschätzung unserer Gesprächspartner werden antisemitische Äußerungen von den Jugendlichen häufig unreflektiert von anderen übernommen.

Die wichtigste Rolle scheint dabei die Tradierung durch Eltern und Familie zu spielen; weitere Einflüsse sind Peergroups, Nachbarschaften, Communities und Medien, insbesondere das arabische Satellitenfernsehen, sowie – allerdings weniger häufig genannt – der Einfluß von Imamen oder Hodschas.“

Eine Erkenntnis, die bei der Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, nicht angekommen ist: „Die allgemeine Kultur in Deutschland akzeptiert die Eingewanderten und deren Kinder und Kindeskinder noch immer nicht als ‘echte’ Deutsche, die allgemeine Kultur hat ihren Rassismus keineswegs überwunden, und damit steht Deutschland nicht nur moralisch, sondern auch politisch gesehen noch mit einem Bein im gesellschaftspolitischen Mittelalter“, weiß die ehemalige Stasi-Zuträgerin von einer überlegenen moralischen Position zu berichten – um im nächsten Satz das Kunststück fertigzubringen, sich gleich selbst zu widersprechen: „Daß es angeblich keine Einwanderung gab, hatte problematische Folgen: Es kamen vor allem Menschen aus zum Teil archaischen oder traditionalistischen Regionen und wenig Bildung. Um sie zu fördern und erfolgreich zu machen, hätte es einer Anerkennung der Tatsache der Einwanderung an sich bedurft.“

Offensichtlich waren es also doch keine Deutschen, die dank Kahane und anderer massenhaft ins Land strömten. Dann ist aber das Problem nicht die Definition Deutschlands als Einwanderungsland, sondern die Tatsache, daß Kulturen ungleich sind und eben auch ungleich behandelt werden müssen. Bis zu dieser Erkenntnis wird „Multikultopia“ allerdings noch viele Studien schreiben.

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