© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/08 30. Mai 2008

Politisch motivierte Quellenfälschungen
Mythen um den sowjetischen "Fackelmänner-Befehl": Kritiker denunzieren mit den offenkundigen Klitterungen gleich die gesamte Quelle
Hans Joachim von Leesen

Um die Rolle des "Fackelmänner-Befehls" im Weltanschauungskrieg nach dem Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion streiten sich die Militärhistoriker. Der unter der Nummer 0428 am 17. November 1941 von der Stavka, dem "Hauptquartier des höchsten Oberkommandos" der sowjetischen Streitkräfte, erlassene und von Stalin unterschriebene Befehl besagt, besondere "Jagdkommandos" der Partisanen sowie die sowjetische Luftwaffe und Artillerie sollten die "Siedlungspunkte" im Hinterland der deutschen Truppen in einer Tiefe bis zu 60 Kilometern systematisch zerstören.

Es ist nur einer von zahlreichen sowjetischen Befehlen, die das Ziel hatten, der vorrückenden Wehrmacht lediglich "verbrannte Erde" zu überlassen. So hatte Stalin am 3. Juli 1941 dazu aufgerufen, den Deutschen "kein Kilogramm Getreide, keinen Liter Benzin" zu hinterlassen und "alles wertvolle Gut, das nicht abtransportiert werden kann (...) unbedingt zu vernichten" wie auch das gesamte rollende Material, alle Rohstoffe, jedes Stück Vieh. In einem weiteren Aufruf gab das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Weißrußlands schon am 1. Juli 1941, also keine zehn Tage nach Beginn des deutschen Angriffs, der Partisanenbewegung die Weisung, alle Verbindungen im Hinterland des deutschen Gegners zu vernichten, Brücken und Straßen zu sprengen, Treibstoff und Lebensmittellager, Kraftfahrzeuge, Eisenbahnenlagen zu zerstören, "um den Feind zu vernichten". Der Oberbefehlshaber der Westfront, Marschall Semjon Timoschenko, erließ am 6. August 1941 einen Aufruf an alle Einwohner der Sowjetunion, sie sollten in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten alle Brücken zerstören, Häuser und Wälder anzünden, kurz, alles tun, die Deutschen zu schlagen. Rücksicht auf die Zivilbevölkerung wurde in keinem Fall genommen.

Diese Befehle belegen außerdem, daß entgegen den Behauptungen mancher deutscher Historiker und ihrer Unterstützer der völkerrechtswidrige Partisanenkrieg keineswegs lediglich eine Reaktion auf die "unmenschliche" deutsche Kriegführung war. Dies alles schrieb der verstorbene Militärhistoriker und Wissenschaftliche Direktor am Militärgeschichtlichen Forschungsamt Joachim Hoffmann bereits 1995 in seinem sorgfältig belegten Werk "Stalins Vernichtungskrieg 1941 bis 1945".

Der "Fackelmänner-Befehl" war lediglich einer unter einer großen Anzahl ähnlicher Befehle. Daß er eine besondere Aufmerksamkeit erfuhr, mag darauf zurückzuführen sein, daß ihm Sätze eingefügt sind, wonach die Jagdkommandos der Sowjetpartisanen "Uniformen des deutschen Heeres und der Waffen-SS" tragen sollten, um damit den Haß auf die faschistischen Besatzer zu schüren. Weiter liest man: "In der Bevölkerung ist zu verbreiten, daß die Deutschen die Ortschaften in Brand steckten, um die Partisanen zu bestrafen." Diese erweiterte Form des "Fackelmänner-Befehls"   fand sich zum ersten Mal in dem Buch "Stalins Blutspur durch Europa" (1995) von Fritz Becker. Von ihm übernahmen nicht nur Publikationen die Version, sondern auch renommierte Historiker, diese allerdings mit einschränkendem Vermerk, was die Behauptung betraf, die Jagdkommandos sollten erbeutete deutsche Uniformen tragen.

Auch die JUNGE FREIHEIT wies in einem Beitrag (JF 20/97) auf den StavkaBefehl hin. Dabei ging es um die umstrittene Anti-Wehrmachtausstellung von Jan Philipp Reemtsma, die diesen Befehl verständlicherweise nicht gezeigt hatte. Auch die eingeschobenen Sätze waren in dem JF-Beitrag zitiert, wobei aber ebenfalls eine Einschränkung gemacht wurde: "Die Echtheit des Befehls wurde der JF gegenüber von Joachim Hoffmann bestätigt, der als Quelle auf den Stalin-Biographen General Dmitrij Wolkoganow hinwies." Weiter hieß es: "Den Abschnitt über die deutschen Uniformen konnte Hoffmann jedoch nicht bestätigen."

Im Oktober 2000 veröffentlichten die vom Institut für Zeitgeschichte herausgegebenen Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte einen Beitrag der Autoren Christian Hartmann und Jürgen Zarusky unter dem Titel "Stalins 'Fackelmänner-Befehl' vom November 1941. Ein verfälschtes Dokument". Die Historiker wiesen nach, daß die eingeschobenen Sätze über die Verwendung erbeuteter deutscher Uniformen durch sowjetische Partisanen nachträglich in den Originalbefehl hineingefälscht worden seien. Sie konnten belegen, daß die genannte angebliche Quelle so nicht existiert und daß die inzwischen gefundenen weiteren Exemplare der Befehls die Uniform-Passagen nicht enthalten.

Hingegen bestätigen sie ausdrücklich, daß der Hauptteil des Befehls authentisch ist, daß also ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung die sowjetische Führung die Politik der "verbrannten Erde" vom nahezu ersten Tag der Feindseligkeiten an verfolgt hat. Das erscheint  ihnen als nicht besonders sensationell, denn "daß die Sowjetunion nicht nur an der Front gegen die deutschen Besatzer kämpfte, sondern auch in deren Hinterland und daß sie die eigene Bevölkerung dabei nicht schonte, ist eine vielfach belegte Tatsache".

Dann aber stilisierten sie die dem Original hinzugefügten wenigen Sätze über das Tragen deutscher Uniformen durch Partisanen zum Hauptteil des Befehls. Kurzerhand erklärten sie, daß die Promotoren des "Fackelmänner-Befehls"  häufig nichts anderes im Sinn hätten, als "NS- und Kriegsverbrechen in der besetzten Sowjetunion zu vertuschen und zu leugnen, was einer (...) rechtsextremen Geschichtspropaganda entspricht, die von der entstellenden Interpretation und verzerrenden Wiedergabe historischer Quellen nun zur direkten Fälschung überzugehen scheint". Damit ist der Schulterschluß zum "Kampf gegen Rechts" hergestellt, zumal wenn die beiden Historiker noch aufzurechnen beginnen, indem sie zwar zugeben, daß sowjetische Partisanen häufig die Uniformen des Kriegsgegners trugen, solches aber auch umgekehrt Kommandoverbände der deutschen Wehrmacht ("Brandenburger") taten.

Zustimmen muß man Christian Hartmann und Jürgen Zaruski aber grundsätzlich, wenn sie zu dem Schluß kommen, "politisch motivierte Quellenfälschungen" seien "sicherlich die ärgerlichsten und überflüssigsten".

Foto: Sowjetische Partisanen in den Pripjet-Sümpfen bei Pinsk, etwa 1943: "In der Bevölkerung ist zu verbreiten, daß die Deutschen die Ortschaften in Brand steckten, um die Partisanen zu bestrafen"

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