© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/08 09. Mai 2008

Norbert Rasch ist der neue Hoffnungsträger der Deutschen im Oppelner Schlesien
Mann des Aufbruchs
Martin Schmidt

Das überraschende Ergebnis der Kür des neuen Vorsitzenden kam einer Richtungswahl gleich. Der bisherige Chef der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien (SKGD), Heinrich Kroll, hatte zwar den - übrigens kaum des Deutschen mächtigen - Sejm-Abgeordneten Richard Galla ins Rennen geschickt. Doch gewählt wurde am 26. April in Oberglogau der 37jährige Proskauer Lokalpolitiker Norbert Rasch, dessen Erfolg den Willen einer kleinen Gruppe überwiegend jüngerer Delegierter unterstreicht, die deutsche Minderheit durch basisorientierte Kulturarbeit vor dem schleichenden Untergang zu bewahren.

Schließlich ist die Lage der heimatverbliebenen Deutschen im Kreis Oppeln wenig erfreulich. Die SKGD ist in diesem heute wichtigsten Siedlungsraum der Deutschen in Schlesien von einst annähernd 200.000 Mitgliedern auf höchstens 45.000 geschrumpft. Fortschreitende Polonisierung und Konsumdenken prägen das Bild, während die seit 1991 von Kroll geführten SKGD-Funktionäre im wesentlichen mit der Verwaltung überkommener Strukturen und den in der Vergangenheit reichlich fließenden Fördermitteln aus Berlin beschäftigt waren. Autoritär vertretene Eigeninteressen und Parteidenken stehen im Vordergrund, nicht das Bemühen, an die Aufbruchstimmung der Wendezeit anzuknüpfen und die deutsche Volksgruppe durch Erfolge bei der Einrichtung bilingualer Schulen oder der Aufstellung zweisprachiger Ortsschilder selbstbewußt in die Zukunft zu führen. Die örtlichen Deutschen Freundschaftskreise (DFK) überaltern zusehends, viele existieren nur noch auf dem Papier. Statt der acht Parlamentsabgeordneten von 1991 sitzt heute bloß ein einziger Vertreter im Warschauer Sejm, und auch die Umsetzung des polnischen Minderheitengesetzes stockt. Besonders besorgniserregend aber ist die Tatsache, daß der Umfang des Deutschunterrichts an den Schulen der Region seit Jahren rückläufig ist.

Andererseits gibt es noch immer ein vielfältiges deutsches Vereinswesen mit Chören, Blas­orchestern, Kindervolkstanzgruppen usw. sowie mit der seit 2001 in St. Annaberg erscheinenden Zeitschrift Oberschlesien auch ein unabhängiges deutschsprachiges Presseorgan.

Der studierte Germanist Rasch kündigte nun in Oberglogau - in einer Mischung aus Deutsch und "Wasserpolnisch" - an, er wolle mit einer Hinwendung zu den DFK und ganz allgemein zur deutschen Bildungs- und Vereinsarbeit neue Schwerpunkte setzen. Als wichtigstes Ziel nannte der in seinem Heimatort Proskau als Gemeinde­sekretär angestellte zweifache Familienvater die Aufstellung bilingualer Ortsschilder. Ob er die versprochene kulturpolitische Wende aber auch durchzusetzen vermag, ist fraglich, da der neue Bezirksvorstand der alte ist - mit einer Ausnahme. An die Stelle des bisherigen Vorstandsmitglieds und neuen SKGD-Chefs Rasch rückte ausgerechnet dessen Amtsvorgänger nach: Heinrich Kroll.

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