© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/08 15. Februar 2008

Pfarrer Meurer und das multikulturelle Paradies
Religion: Für den Kölner Geistlichen ist nicht der expandierende Islam ein Problem, sondern dessen Kritiker / Spendensammlung für Moschee in Ehrenfeld
Fabian Schmidt-Ahmad

Der Berliner Stadtteil Neukölln-Nord ist als sozialer Brennpunkt in der ganzen Bundesrepublik berühmt. Dies hat unleugbar seine Vorteile. Denn Orte wie Neukölln-Nord gibt es eigentlich viele. Beispielsweise die Kölner Orte Höhenberg und Vingst. Offiziell besitzt dort ungefähr jeder Dritte nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, in Neukölln ist es etwa jeder Vierte. Auch die Arbeitslosenquote ist mit rund 23 Prozent ähnlich hoch wie in Neukölln-Nord mit ungefähr 20 Prozent. Doch Höhenberg und Vingst sind nicht berühmt. Und das bedeutet, sie bekommen kein zusätzliches Geld. Während in Neukölln eine buchstäblich unüberschaubare Zahl von Beschäftigungsfirmen davon lebt, ehemalige Sozialhilfeempfänger als Gärtner, Straßenkehrer oder Wachdienst auf die Straße zu schicken, haben die Bewohner von Höhenberg und Vingst eigentlich nur sich selbst. Und das ist wahrscheinlich ihre Rettung.

Entgegen allen Erwartungen bildete sich dort in den vergangenen Jahren eine sehr lebendige Bürgerschaft, die aus eigener Kraft eine Vielzahl von Sozialprojekten anschob. Eine zentrale Rolle spielt dabei der katholische Pfarrer Franz Meurer. So war es im gewissen Sinne der Aufprall zweier Welten, als Meurer in der vergangenen Woche in Berlin unter dem Titel "Die Würde des Menschen ist entscheidend" vor Neuköllner Publikum von seinen Erfahrungen berichtete. Schnell wurde der Unterschied deutlich. Wo beispielsweise in Neukölln Fachkräfte unentwegt öffentliche Grünanlagen von den Spuren asozialen Verhaltens reinigen, ist in Köln die Bürgerinitiative "Blühendes HöVi" entstanden, die alleine vergangenes Jahr über 45.000 Osterglocken pflanzte.

Doch auch diese vom Engagement der Bewohner getragenen Projekte kosten Geld. Allerdings wird dieses anders als in Neukölln verwaltet und kontrolliert. "Wer nur auf's Geld aus ist, bekommt nichts - ganz einfach." - "Das Geld möglichst schnell dorthin geben, wo es gebraucht wird - an die Bürger." So beschrieb Meurer die Grundprinzipien seiner Finanzwirtschaft. Keine frohe Botschaft für die vielen Neuköllner Beschäftigungsfirmen. Es gibt zwei Sorten von Ärzten. Die einen möchten, daß der Patient schnell von sich aus gesundet - die anderen, daß der Patient möglichst lange auf ihre Hilfe angewiesen ist. Vielleicht ist Berühmtsein doch nicht immer so vorteilhaft.

"Man muß auch mal hart sein"

Doch auch an "HöVi" nagt der Wurm. Denn eigentlich ist das, was Meurer schilderte, zunächst einmal nur dasjenige, was früher in Deutschland allgemein üblich war und beispielsweise den preußischen Reformern als Ideal einer Bürgergesellschaft vorschwebte. Doch das Gemeinwesen von Höhenberg und Vingst soll mehr sein. Wenn man der Begeisterung lauscht, mit der Meurer vom "Miteinander der Kulturen" schwärmt, dann begreift man: Hier soll ein multikulturelles Utopia gelebt werden. Und das geht so ohne Reibereien? "Ab und an muß man auch mal hart sein", gab Meurer zu. Dann nämlich, wenn Störenfriede in sein kleines Paradies eindringen. So berichtete Meurer von seinen Rechtshändeleien mit der islamkritischen Bürgerbewegung Pro Köln, die er als "rechtsradikal" bezeichnet.

Islamkritik paßt wirklich nicht in dieses kleine Paradies, das so schön ist, daß einigen Zuhörern der Verdacht aufkam, es sei in der Tat nicht von dieser Welt, sondern nur im Kopf von Meurer existent. Ein Paradies offensichtlich ohne Baum der Erkenntnis: Über die Kölner Stadtgrenzen hinaus ist Meurer vor allem als der Pfarrer bekannt geworden, der im vergangenem Jahr Spenden für die geplante Moschee in Köln-Ehrenfeld sammelte. Meurer zeigte sich an diesem Abend noch immer verwundert über die große öffentliche Reaktion auf etwas, das für ihn eine "selbstverständliche Geste" nachbarschaftlicher Hilfe gewesen sei.

Die Feststellung aus dem Publikum, daß er doch qua Amt als "Menschenfischer" in einem natürlichen Konkurrenzverhältnis zum Islam stehe, lehnte er für sich ab. Um im weiteren zu sinnieren, daß Religion "etwas sehr Gefährliches" sein kann - Menschenliebe ohne Vernunft allerdings auch.

So weit kann es übrigens noch nicht mit der religiösen Nachbarschaftspflege gediehen sein. Während Meurer zwar Sätze von sich gibt, die man eher von evangelischen Sozialarbeitern mit Priesterkragen kennt ("Ob wer gläubig ist, interessiert mich gar nicht", "Wir glauben alle an einen Gott") und dabei ein "multireligiöses Fest" nach dem anderen organisiert, ist das Gegeninteresse nicht sonderlich groß. "Vielleicht in frühestens zehn Jahren" werde er mal einen von "denen" in seiner Kirche haben, vermutet Meurer. Es scheint, als dürfte der kleine, nützliche Pfarrer aus Höhenberg und Vingst als einer der letzten die Folgen seines Handelns begreifen.

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