© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Meldungen

Bali: Schaulaufen der Guten und Gerechten

DÜSSELDORF. Für die Umweltexperten der Wirtschaftswoche (50/07) stand schon zum Auftakt des UN-Klima-Gipfels auf Bali fest, daß es dort nur zu einem "Schaulaufen der Guten und Gerechten" komme. Allein die An- und Abreise von 10.000 Delegierten sowie deren Aufenthalt in den klimatisierten Luxushotels auf der "Märcheninsel" belasten die Atmosphäre mit 34.000 Tonnen Kohlendioxyd. Was solle Bali schon bringen, wenn das Kyoto-Protokoll (1997) noch weit von seiner Umsetzung entfernt sei? Viele Unterzeichnerstaaten, Spanien etwa, hätten seitdem ihre Emissionen nicht vermindert, sondern drastisch erhöht - von den Nicht-Unterzeichnern wie den USA zu schweigen. Nur Deutsche, Schweden und Briten hätten den Ausstoß des Klimagases deutlich reduziert. Der Blick dürfe sich daher getrost vom "Bali-Rummel" abwenden. Denn da die Bundesregierung weiterhin an unserer einsamen Position als Klima-Musterland festhalte, zählen allein die nationalen ökonomischen Kosten, die dieser Ehrgeiz verursacht.

 

Gender exemplarisch: Gerede über Triviales

BERN. Die erste germanistische Promotion an der deutschen Universität gelang 1904 in Berlin Helene Herrmann - gerade rechtzeitig, bevor Gustav Roethe, ein erklärter Feind des Frauenstudiums, den Lehrstuhl übernommen habe. Tatsächlich lehrte Roethe seit 1902 in Berlin. Dies ist nur eine von vielen Unrichtigkeiten in Liliane Weissbergs Studie zur "Geschlechterpolitik" an wilhelminischen Universitäten (Zeitschrift für Germanistik, 3/07). Die US-Professorin (University of Pennsylvania) übertrifft damit nicht nur die in "Gender Studies" ohnehin übliche Fehlerquote, sie demonstriert mit ihrem Aufsatz exemplarisch, in welchem Umfang in diesem Metier auf wackliger Tatsachenbasis Redundanzen generiert werden. Denn weder Weissbergs "Entdeckung", daß die Germanistik im 19. Jahrhundert eine "männliche" Disziplin war, noch der von ihr mit Erstaunen ("merkwürdigerweise") registrierte hohe Anteil jüdischer Frauen unter den ersten Studentinnen würden außerhalb von "Gender" als belangvoller Forschungsbeitrag gelten.

 

Luthers Thesenanschlag: eine deutsche Legende

GÖTTINGEN. Luthers "Thesenanschlag" an der Schloßkirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 hat nie stattgefunden. Lange vor der inflationären Verwendung des Begriffs "Erfindung" im Titel historischer Arbeiten ist unter Luther-Forschern erstmals 1961 die Faktizität des Thesenanschlags mit guten Gründen bestritten worden. Befürworter und -gegner der überlieferten Darstellung stehen sich seitdem gegenüber. Erst ein von der FAZ als Sensation aufgemachter Beleg aus der Feder von Luthers Sekretär Georg Rörer schien, wie ein leidenschaftlich geführtes Leserbrief-Gefecht in der FAZ zeigte, den Befürwortern Oberwasser zu geben. Wie der Luther-Biograph Volker Leppin (Universität Jena) nun in einer quellenkritischen Einlassung bemerkt (Luther, 3/07), kann aber auch die Rörer-Notiz nicht glaubhaft machen, daß am "Reformationstag" mehr geschah als Luthers Übermittlung der Ablaßthesen an die Bischöfe von Mainz und Brandenburg - in Form von auf den 31. Oktober 1517 datierten Privatbriefen. Der neu thematisierte Rörer-Eintrag vermag daran nicht zu rütteln. "Doctor Martins" schneidige "Tat" bleibe also eine deutsche Legende.


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