© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Die Fähigen werden weggebissen
Schweiz: Der rechte SVP-Bundesrat Christoph Blocher wurde von einer Mitte-Links-Mehrheit abgewählt
Reinhard Wegelin

Sie haben unsere Partei in die Opposition gezwungen. Die Schweiz hat nun eine Mitte-Links-Regierung." Mit diesen Worten kommentierte der Fraktionschef der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Caspar Baader, den überraschenden Ausgang der Bundesratswahlen 2007 in der Schweiz. Das Wahlgremium hatte soeben Justizminister Christoph Blocher (SVP) die Wiederwahl verweigert. Das Schweizer Volk hatte im Oktober die 200 Nationalräte sowie die 46 Ständeräte als Vertreter der Kantone gewählt. National- und Ständerat wählen zusammen als Vereinigte Bundesversammlung die Regierung, den Schweizerischen Bundesrat.

Statt Blocher wählten die Abgeordneten die Bündner Finanzdirektorin Eveline Widmer-Schlumpf mit 125 Stimmen zur Bundesrätin. Das SVP-Mitglied ließ sich gegen den Willen ihrer Partei von Linken und Christdemokraten (CVP) zur Bundesrätin wählen. Christoph Blocher erhielt nur 115 Stimmen von der SVP, der Mehrheit der liberalen Freisinnigen (FDP) und eines kleinen Teils der CVP - vor allem von Konservativen aus der Inner- und aus der Ostschweiz.

Politische Ränkespiele von Links inszeniert

Bei der Parlamentswahlen vom 21. Oktober hatte die SVP einen großartigen Sieg eingefahren - sie wurde mit 29 Prozent eindeutig stärkste Partei. Die Sozialdemokraten mit 19,5 Prozent verloren 9 Sitze, die Freisinnigen mit 15,6 Prozent 5 Sitze. Auf der linken Parlamentsseite gewannen die Grünen mit 9,6 Prozent 6 Sitze und die neu gegründeten Grünliberalen (GLP) 3 Sitze. Die bisher mehrheitlich bürgerlich agierende CVP gewann ebenfalls 3 Sitze dazu. Sie bildet heute zusammen mit der GLP und der kleinen Evangelischen Volkspartei (EVP) eine neue Mitte-Links-Fraktion, die mit 52 Sitzen in National- und Ständerat gleich stark ist wie die SP. Diese beiden Fraktionen konnten zusammen mit den Grünen - in deren Reihen auch der einzige Kommunist (Josef Zisyadis/PdAS) Unterschlupf fand - sowie einigen Linksfreisinnigen und wenigen SVP-"Parteifreunden" am 12. Dezember den Sturz Blochers inszenieren.

Bereits vor dieser Bundesratswahl hatte sich ein schwerer Wahlgang für Blocher angekündigt. Obwohl die SVP die Wahlen vom Oktober fulminant gewonnen hatte, wollten Sozialdemokraten, Grüne und andere Linke im Gleichschritt mit einer Gruppe prominenter "Gutmenschen" der klaren und erfolgreichen Politik der SVP eine Abfuhr erteilen. Es waren genau die Kreise, die vor der Parlamentswahl sogar im Ausland gegen die Schweiz und die SVP auftraten. Eine Kundgebung der SVP auf dem Bundesplatz wurde im Vorfeld der Parlamentswahlen von vermummten, äußerst gewaltbereiten Chaoten aus der linksradikalen Szene aus ganz Europa verhindert: Solche Jagdszenen, wie man sie von gewalttätigen "Kundgebungen" aus Hamburg kennt, waren der Schweiz bisher fremd.

Die klar auf die Bekämpfung der Gewaltkriminalität und des Asylmißbrauchs ausgerichtete SVP-Wahlkampagne mit dem schwarzen Schaf als Hauptsujet hatte auch international für Furore gesorgt (JF 43/07). Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, der die Schweiz nur vom Bergsteigen kennt, sprach beispielsweise in der NZZ am Sonntag in einem wie bestellt klingenden Artikel von einer "diffusen, fast rechtsradikalen Atmosphäre". Die europäische Medienfront ließ sich fast ohne Ausnahme in den "totalen Kampf" gegen Blocher und die SVP einspannen. Der Uno-Sonderberichterstatter für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung, Doudou Diène, forderte sogar den Rückzug des "Schäfchen-Plakats", denn es provoziere angeblich Rassen- und Religionshaß.

Das Phänomen Christoph Blocher beschäftigt die Schweizer Politik nunmehr seit drei Jahrzehnten permanent. 1978 wurde der erfolgrieche Unternehmer Präsident der Zürcher SVP. Seit 1979, als Blocher in den Nationalrat gewählt wurde, eilt Blochers SVP von Wahlsieg zu Wahlsieg: zuerst nur in Zürich, dann auch in der Ostschweiz. Seit dem Sieg Blochers bei der denkwürdigen Volksabstimmung gegen den Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und später gegen einen EU-Betiritt beschleunigte sich der Erfolgskurs seiner Partei. 1995 erfaßte er auch die Innerschweiz und zog die ganze deutsche Schweiz mit. Ab 1999 setzte sich die SVP auch in der französischsprachigen Schweiz durch.

SVP geht für vier Jahre in die Opposition

2003 glaubten Blochers Gegner, die Einbindung des Wahlsiegers in den Bundesrat würde den Trend brechen. Er wurde damals auf Kosten der jungen CVP-Justizministerin Ruth Metzler gewählt. Blocher gewann breitesten Rückhalt in der Bevölkerung - vor allem durch seine sichtbar kompetente Departementsführung und mit seinem beharrlichen Einsatz gegen den Asylmißbrauch. In einem Abstimmungstriumph ohnegleichen wurde dieser Einsatz 2006 honoriert: siebzig Prozent Zustimmung zum Asyl- und Ausländergesetz.

Blochers Vertrauensbasis im Volk gründet auf seinem Einsatz gegen einen EU-Beitritt und gegen den Asylmißbrauch. Das faktische Komplott, das Blochers Sturz am 12. Dezember 2007 durchsetzte, rekrutiert sich nahezu ausnahmslos aus den frustrierten, schwer geschlagenen Gegnern von Blochers Asylkonzept im Herbst 2006. Doch nicht die Person Blocher wurde am 12. Dezember getroffen. Der Schlag galt dem Souverän, der Blochers Asylgesetzvorlage 2006 eindrücklich durchgesetzt hat. Die Blocher-Gegner wollen diesen Volksentscheid mit der Bundesratsabwahl hintertreiben und rückgängig machen.

Widmer-Schlumpf und der bisherige Berner SVP-Bundesrat und Verteidigungsminister Samuel Schmid ließen sich als Bundesräte vereidigen. Ein Parteitag der SVP hatte schon im Januar 2007 beschlossen, falls Bundesrat Christoph Blocher nicht mehr wiedergewählt werde, trete die Partei den Weg in die Opposition an. Widmer-Schlumpf und Schmid wurden aus der Fraktion ausgeschlossen. Sie bleiben jedoch Mitglieder in ihren SVP-Kantonalparteien.

Die SVP wird nun in den nächsten vier Jahren auf eidgenössicher Ebene als klar stärkste Partei nicht mehr in der Regierung eingebettet sein. Dank der direkten Demokratie - in der das Volk das letzte Wort hat - wird die SVP jedoch mit den Mitteln der Volksinitiative und des Referendums gegen Gesetzesvorlagen des Parlaments die politische Themensetzung weiterhin entscheidend bestimmen. Die mit über 200.000 Unterschriften zustande gekommene Volksinitiative zur Abschiebung krimineller Ausländer wird zu Beginn des Jahres 2008 eingereicht werden.

Wie sich die SVP in der Opposition auf eidgenössischer Ebene organisieren wird, ist der Schweizer Öffentlichkeit noch nicht klar. Die Parteispitze wird den Jahreswechsel dazu benutzen, die bereits vorbereiteten Konzepte zu verfeinern. Spätestens an der traditionellen Albisgüetlitagung der Zürcher SVP Ende Januar 2008 dürfte die künftige Ausrichtung der SVP auch für die Öffentlichkeit konkreter werden. Blocher wird sich dort auch zu seiner Zukunft äußern. Das Parlament hat ihn zwar aus der Regierung abgewählt - aber aus der Schweizer Politik konnte es ihn nicht entfernen. "Die Abwahl des SVP-Leaders durch eine schwer gekränkte CVP belegt über parteipolitisch motivierte Intrigen hinaus, was die Schweiz gesamthaft prägt: Man läßt die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die Mächtigen, Fähigen, Überragenden werden weggebissen, kurzgestutzt", analysierte die nicht immer Blocher-freundliche wirtschaftsliberale Zürcher Weltwoche. "Mal sehen, ob die Blocher-Gegner mit den Kräften fertig werden, die sie jetzt entfesselt haben."


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