© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52/07-01/08 21./28. Dezember 2007

Jahresrückblick
Licht ins Dunkel bringen
Dieter Stein

So schnell ist wieder ein Jahr vergangen. Die letzten Tage vor Weihnachten rasen dahin. Wir kämpfen uns durch Weihnachtspost und Geschenkpakete. Haben wir an alles gedacht? Niemanden vergessen? Kinderaugen glänzen, und täglich die Frage: "Wie viele Tage noch bis Weihnachten?" Wegen dieser sehnsüchtigen Fragen der Kinder hatte der Hamburger Erzieher und Theologe Johann Hinrich Wichern (1808-1881) den Adventskranz erfunden. Da die von ihm betreuten Kinder während der Adventszeit immer fragten, wann endlich Weihnachten sei, baute er 1839 aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz mit 19 kleinen roten und 4 großen weißen Kerzen. In der Adventszeit wurde nun jeden Tag eine kleine Kerze mehr angezündet, an den Adventssonntagen eine große Kerze mehr ...

Also ist der Adventskranz erst 170 Jahre jung - und man glaubt doch, eine jahrhundertealte Tradition zu pflegen, indem man ihn aufstellt. Es ist eine Kunst, Traditionen zu stiften, die von Dauer sind. Konservativ heißt bekanntlich, Dinge zu schaffen, deren Erhaltung sich lohnt.

Diese Zeitung ist nicht ganz mit dem Adventskranz von Wichern zu vergleichen - doch sie steckt im übertragenen Sinne jede Woche eine Kerze auf und bringt Licht in politisch und gesellschaftlich gelegentlich finstere Zeiten. Auch dieses Jahr war das nicht einfach: So löste im März unser Antrag auf Aufnahme in die Bundespressekonferenz ein kleines politisches Erdbeben aus. Tagelang focht eine Schar engstirniger linker Journalisten dafür, die JF auszugrenzen. Ihr Vorstoß scheiterte kläglich.

Inzwischen können die unbequemen Nachrichten, die die JF publiziert, nicht mehr aus dem Diskurs ausgeblendet werden. Unsere Berichterstattung bewirkt konkrete Veränderungen. Im Juni bringt ein Aufsatz der Schriftstellerin Gabriele Kuby den Skandal der Frühsexualisierung von Kindern durch Propaganda aus dem Familienministerium ans Licht. Eine besonders anstößige Broschüre muß zurückgezogen werden. Ob bei der Medienhysterie beim "Fall Mügeln" oder zuletzt bei der aufgedeckten Mitgliedschaft der frischgewählten Juso-Chefin in einer linksradikalen Gruppe - die JF wird respektiert und als kritisches Blatt gefürchtet.

Einen wichtigen Schritt bedeutet die kleine digitale konservative Revolution mit der Internetseite der JF, die sich seit 14. November zu einem tagesaktuellen Nachrichtenportal gewandelt hat. Das Netz revolutioniert die Presse, deren Namen noch an die technische Fertigung des Papierdrucks erinnert. Wie lange noch? Papier ist geduldig, heißt es. Und nur über das, was zu Papier gebracht wird, kann eigentlich geduldig nachgedacht werden. Robert Spaemann sagte mir in einem unvergeßlichen Interview einmal: "Beschleunigung ist gegen den Menschen gerichtet. Gewohnheit ist eine Form von Freiheit." Die Griechen hätten Tyrannis als die Herrschaft definiert, die die Menschen zwingt, aus ihren Gewohnheiten herauszutreten. Kehren Sie doch über die Feiertage zu Ihren Gewohnheiten zurück. Machen Sie Computer und Fernseher aus. Schalten Sie ab. Frohe Weihnachten!


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