© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 51/07 14. Dezember 2007

Urteil im Namen der Zivilcourage
Kriminalität: Acht Monate Haft ohne Bewährung im Fall der Ausschreitungen im sächsischen Mügeln / Tathergang im Festzelt weiterhin ungeklärt
Ekkehard Schultz

In der Nacht auf den 19. August dieses Jahres kam es am Rande eines Stadtfestes in der sächsischen Kleinstadt Mügeln zu einer Auseinandersetzung, in deren Folge sich acht Inder in eine nahegelegene Pizzeria flüchteten. Obwohl damals weder der genaue Hergang der Tat noch deren Ursachen bekannt waren, wurden die Vorgänge von vielen Medien als "Hetzjagd" gewertet und als Beispiel für eine besondere Bedrohungssituation von Ausländern in Mitteldeutschland gedeutet (JF 36/07). Jetzt ist ein Beteiligter zu einer achtmonatigen Haftstrafe verurteilt worden.

Tatsächlich konnte das Geschehen trotz umfangreicher Ermittlungen nur unvollständig rekonstruiert werden. Insbesondere die Vorgänge im Festzelt sind weiter strittig. Viele Zeugenaussagen widersprechen sich teilweise sehr deutlich.

Dennoch wurde bereits gegen acht Personen wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung ermittelt. Dabei geht es um die Verfolgung der Inder, das Rufen ausländerfeindlicher Parolen und die Beschädigung der Eingangstür der Pizzeria. Auch wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung wird ermittelt. Bislang konnte dieses aber noch keinem Tatverdächtigen nachgewiesen werden.

Mehrere Urteile wurden bereits gesprochen: Gegen drei Tatverdächtige wurden Geldstrafen verhängt. In zwei Fällen schloß die Staatsanwaltschaft das Verfahren per Strafbefehl ohne Verhandlung ab und verhängte Geldstrafen von 1.500 Euro und 2.625 Euro, wogegen allerdings ein Beschuldigter Revision einlegte. Ein Verfahren gegen einen 18jährigen endete vor gut zwei Wochen mit einer Jugendstrafe. Der Betreffende wurde zu einer Zahlung von 600 Euro verurteilt.

Wegen dieser - aus ihrer Sicht "viel zu milden" - Strafen hatte es nach diesen Urteilen massive Kritik von Opferberatungsstellen gegeben. So sagte Marianne Thum von der Opferberatung der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie in Dresden, daß diese Urteile "in keiner Weise öffentlichwirksam und damit abschreckend" seien. Zudem ärgerte Thum, daß "lediglich wegen Sachbeschädigung und Volksverhetzung ermittelt und angeklagt" worden sei, nicht aber wegen Körperverletzung. Da jedoch erst die Anklage eines solchen Deliktes eine Nebenklage der Opfer vor Gericht zulasse, hätten diese keine Möglichkeit, gegen ein solches Urteil Berufung einzulegen.

Nun wurde vor gut einer Woche in einem weiteren Verfahren in dieser Angelegenheit ein 23 Jahre alter Baumaschinist vom Amtsgericht Oschatz wegen Volksverhetzung und Sachbeschädigung zu acht Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß Frank D. bei den Ausschreitungen "eine führende Rolle" gespielt habe. Mit dieser Strafe ging Richter Klaus Denk weit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, welche lediglich eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten - ausgesetzt zur Bewährung - gefordert hatte, da der Beschuldigte nicht vorbestraft war.

Denk betonte, daß mit diesem Urteil "mögliche Nachahmer abgeschreckt werden" sollten. Wenn man das durchgehen lasse, "ist das eine Einladung zum Tanz". Für solche Handlungen dürfe es "keine Duldung und kein Verständnis geben", "das sind wir dem Zusammenleben in diesem Land schuldig", sagte Denk. Daher habe er auch keinen Spielraum gesehen, die Strafe zur Bewährung auszusetzen.

Frank D. hatte vor Gericht eingeräumt, ein Gitter in die Scheibe der Pizzeria geworfen zu haben. Er bestritt jedoch, aus Fremdenhaß gehandelt und fremdenfeindliche Parolen gerufen zu haben. "Die Emotionen kochten total hoch", sagte er. Als Grund für sein Handeln gab er an, sein Freund sei zuvor mit einem Messer verletzt worden.

Zeugen sagten hingegen vor Gericht aus, daß es ausländerfeindliche Rufe gegeben habe und die Inder bedrängt worden seien. Einige von ihnen betonten auch, daß der Angeklagte einer der Antreiber gewesen sei. "Ich bin sicher, daß er es war", sagte der indische Geschäftsführer der Pizzeria, Amarjit Singh.

Auf diese Weise sei die damalige Situation durch den Angeklagten "aufheizt" und "von Haß erfüllt" worden, so Richter Denk in seiner Begründung des Urteils. Daß es nicht zu einem "Pogrom" kam, sei einzig und allein darauf zurückzuführen, daß die wenigen Polizisten vor Ort "Zivilcourage gezeigt" hätten und "beherzt eingeschritten" seien. Denk verwahrte sich gegen den Vorwurf, er habe ein "politisches Urteil" gefällt. 

Frank D. hat inzwischen Berufung eingelegt. Sein Anwalt Ulf Ihle sagte, das Urteil sei in der bestehenden Form "nicht nachvollziehbar". So wird nun das Landgericht Leipzig in einer zweiten Instanz eine Entscheidung fällen, voraussichtlich Anfang Frühjahr des kommenden Jahres.


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