© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Datenfreiheit
Karl Heinzen

Das Lebensgefühl tatsächlicher oder auch bloß eingebildeter Extremisten ist nicht zuletzt dadurch geprägt, daß sie sich rund um die Uhr von finsteren Mächten überwacht fühlen. Ganz zu Unrecht schöpfen sie daraus die Gewißheit, trotz der alltäglich erfahrenen Bedeutungslosigkeit ihres Denkens und Wirkens irgendwie auserwählt zu sein.

Den Wind aus den Segeln hat ihnen nun der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, genommen. In einem Zeitungsinterview stellte er klar, daß es eine ganz andere Bevölkerungsgruppe ist, die eigentlich das Recht hätte, sich über permanente Kontrolle zu beschweren: Wer als Spitzensportler seinen Leib in Wettbewerben vermarkten will, muß einwilligen, daß die in Montreal ansässige World Anti-Doping Agency (WADA) ihn mit Hilfe ihres "Anti-Doping Administration & Management System" (ADAMS) zum gläsernen Athleten werden läßt. Nahezu 9.000 Menschen, unter ihnen auch Minderjährige, unterliegen alleine in Deutschland dieser Überwachung. Erfaßt werden nicht nur ihr Blutprofil, ihre Krankheiten oder die Medikamente, die sie einnehmen. Auch ihre in den kommenden drei Monaten geplanten Aufenthaltsorte gehören zum Datenbestand.

Um seiner Rolle als Datenschützer gerecht zu werden, kann Peter Schaar natürlich nicht anders, als sich über diesen vermeintlichen Eingriff in das sogenannte Recht auf "informationelle Selbstbestimmung" zu ereifern. In besonderem Maße bewegt ihn dabei, daß gleichgeschlechtlich orientierte Sportler de facto offenlegen müssen, zu wem sie Beziehungen unterhalten. Da Homosexualität in zahlreichen Staaten strafbewehrt ist, könnten sie auf diese Weise sich selbst und ihre Partner in Gefahr bringen. Auch wenn ein derartiges Risiko nicht von der Hand zu weisen ist, so gilt es doch zu bedenken, daß die Entscheidung, Spitzensportler zu werden, freiwillig ist und zumeist auf höchst eigennützigen Motiven wie Eitelkeit oder Gier nach materiellem Besitz fußt.

Überhaupt scheint Peter Schaar nicht zu bemerken, daß er Dogmen einer längst vergangenen Zeit bewahrt, von denen nach dem 11. September 2001 niemand mehr etwas wissen will. Unsere Sicherheit und unser Wohlstand lassen sich nur garantieren, wenn jeder Einzelne kooperativ ist und auf Geheimniskrämerei verzichtet. Wer dem Staat oder der Wirtschaft mehr von sich preisgibt, wird dadurch überdies nicht in seiner Menschenwürde beeinträchtigt. Im Gegenteil: Auch jene, die über seine Daten verfügen, können sich nun mit ihm an ihr erfreuen.


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