© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/07 07. Dezember 2007

Schulbildung
Gesichtslose Eliten
von Wolfgang Fenske

Nichts verrät die Verunsicherung einer Nation mehr als ihr Schielen auf das Urteil anderer. Worüber geurteilt wird, ist dabei von untergeordneter Bedeutung. Mittlerweile kann selbst die Auswertung einer Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) oder einer Pisa-Studie das Land in einen aufgeregten Hühnerhaufen verwandeln. Großformatig präsentierten die Medien die frohe Botschaft, Deutschlands Schüler hätten sich im Pisa-"Ranking" unter 57 Staaten auf Platz 13 vorgearbeitet. Erst wenige Tage zuvor hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) das wichtigste Ergebnis der Iglu verkündet: "Wir haben die besten Grundschulen Europas!"

Die hochformalisierten, kennzahlgestützten Testergebnisse, die Schavan feiert, haben mit "Bildung" genausoviel zu tun wie Ursula von der Leyens Politik mit "Familie". Beide zielen auf höchstmögliche Kompatibilität mit den Erfordernissen der Ökonomie im Zeitalter der Globalisierung. Eine kulturbezogene Bildung von Geist, Seele und Leib, wie sie seit Pestalozzis Zeiten lange für Deutschland kennzeichnend war, ist politisch unerwünscht: Sie würde der Heranzüchtung gesichtsloser Funktionseliten zuwiderlaufen. Doch was noch schlimmer ist: Sie wird auch nicht mehr nachgefragt. Ein Mensch, dem man immer wieder sagt, es sei wohlig und warm, beginnt irgendwann zu grunzen.


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