© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

Erfolg für Bodenreformopfer
Urteil: Gericht wertet Enteignung erstmals als Bestrafungsakt / Wichtiger Durchbruch
Klaus Peter Krause

Erstmals hat ein deutsches Gericht eine "Bodenreform-Enteignung" nicht als rein administrativen Akt zur Bodenumverteilung gewertet, sondern als Bestrafungsakt. Damit hat ein Bodenreformopfer eine strafrechtliche Rehabilitierung durchgesetzt, die Rückgabeansprüche begründet. Die sogenannte Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ, 1945-1949) mit ihren Enteignungen war keineswegs eine bloße Landumverteilung von oben nach unten, also von Land der Gutsbesitzer und Großlandwirte an vertriebene Bauern aus dem deutschen Osten und an arme Landarbeiter. Sie war eine Strafmaßnahme gegen "Nazi-Aktivisten und Kriegsverbrecher", erfaßte aber kollektiv, pauschal und unterschiedslos eine ganze Bevölkerungsgruppe, auch wenn der Vorwurf auf die bei weitem überwiegende Mehrzahl nicht zutraf.

Daher handelt es sich in diesen Fällen um völkerrechtswidrige politische Verfolgung. Weil es jedoch Verwaltungsbehörden waren, die damals enteignet haben, behandeln die heutigen Gerichte jene Enteignungsfälle, wenn die Verfolgungsopfer jetzt ihre Rehabilitierung begehren, nur als Verwaltungsakte und nicht als Strafentscheidungen. Daher sehen sie nicht das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (StrehaG) als einschlägig an, sondern das Verwaltungsrechtliche (VwRehaG). Nach dem VwRehaG wird den Opfern die Rehabilitierung bisher regelmäßig versagt und damit auch die Rückgabe des entzogenen Vermögens.

Dieser Fehlbeurteilung ist ein Gericht im vorliegenden Fall nicht mehr gefolgt. Das Landgericht Magdeburg hat in einem "Bodenreformfall" anerkannt, daß bei Vermögenszugriffen auch Verwaltungsbehörden Strafkompetenzen wahrgenommen haben, und die Opfer, ein Landwirte-Ehepaar, nach dem StrehaG (Paragraph 1, Absatz 5) rehabilitiert. Es sei damals ein Verwaltungsstrafverfahren gewesen, mit dem sie alles Land und das übrige Privatvermögen verloren hätten. Eine nennenswerte Schuld, die eine solche umfassende Vermögensstrafe habe rechtfertigen können, sei nicht festzustellen.

Zugleich erklärte das Gericht die Vermögenseinziehung und die anschließende Landaufteilung für rechtsstaatswidrig. Doch hat es sich nicht für befugt gehalten, die Vermögenseinziehung ausdrücklich aufzuheben. Das sei Sache des zuständigen Landesvermögensamtes.

Nach einer Revision beim Oberlandesgericht Naumburg ist der Beschluß des Magdeburger Gerichts nunmehr rechtskräftig geworden (Reh. 5642/06 und 5643/06). Mit ihm kann die Tochter des Ehepaares jetzt gegenüber dem Staat Ansprüche auf Rückgabe oder Auskehr des Verkaufserlöses durchsetzen. Anspruchsgrundlage dafür ist Paragraph 1, Absatz 7 StrehaG. Es geht um etwas über 100 Hektar.

Entscheidend für die Bewertung des Falles als Strafverfahren war, daß die damalige Vermögenseinziehung letztlich auf den Vorwurf gestützt worden ist, der Vater sei Mitglied der Waffen-SS gewesen. Doch hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen. Daher jetzt die Rehabilitierung. Andere Opfer mit vergleichbarer Konstellation, auch solche, die in der SBZ-Zeit Industrie- und Gewerbebetriebe, Häuser und Grundstücke verloren haben,  können sich auf diesen Landgerichtsbeschluß berufen. Insofern gilt der vom Anwalt Thomas Gertner vertretene Fall als ein noch kleiner, aber wichtiger Durchbruch.

Bislang nämlich gelingen Konfiskationsopfern der Jahre von 1945 bis 1949 strafrechtliche Rehabilitierungen nur dann, wenn damals entweder ein Tribunal der sowjetischen Besatzungsmacht oder ein (damals kommunistisch beherrschtes) deutsches Gericht eine Haftstrafe und Vermögenseinziehung als Strafurteil verfügt hatten.


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