© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

Meldungen

Grass im Briefwechsel mit einem Danziger

BERLIN. Erwin Lichtenstein promovierte 1921 mit einer völkerrechtlichen Arbeit in Königsberg. Als erfolgreicher "Wald- und Wiesenanwalt" in Danzig mußte er sich mit Völkerrechtsfragen erst wieder beschäftigen, als er als Syndikus der Jüdischen Gemeinde mit Auswanderungsfragen konfrontierte wurde. Von Lichtenstein stammt ein Standardwerk über die Geschichte der Danziger Juden (1973) sowie die Autobiographie "Bericht an meine Familie. Mein Leben zwischen Danzig und Israel" (1986). Aus dem "Vorlaß" von Günter Grass im Archiv der Akademie der Künste in Berlin ist nun eine Auswahlkorrespondenz des Dichters mit dem Juristen erschienen (Sinn und Form, 5/07). Gegen die Intention der Editoren, die Grass hier als sensiblen Philosemiten präsentieren wollen, dokumentieren seine Briefe nur den geschäftstüchtigen Opportunismus des Autors. Selbst ohne Kenntnis der Danziger Geschichte, beutet Grass Lichtensteins Materialsammlung über die Jüdische Gemeinde aus, und baut sie in seine drögen Wahlkampfnotate von 1969 ein. Daraus entsteht das "Tagebuch einer Schnecke". Zeitgeistkonform funktionalisiert er darin das jüdische Schicksal als "ein notwendiges Gegengewicht zur Situation des Jahres 1969, einer Zeit also, in der ein Mann wie Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler war". Was sich dann bis 1993 durchhält, ist Grass' Mangel an politischer Urteilskraft, wie ihn beispielsweise das Bejammern des "Einzugs des Kapitalismus" in Polen nach der "Wende"  dokumentiert.

 

Schiller und Carl Schmitts Hitler-Bild

WIEN. Im Massiv Carl Schmitt sind mittlerweile so viele Seilschaften unterwegs wie am Mount Everest. Trotzdem, so Reinhard Mehring, gebe es noch unbetretene Pfade (Weimarer Beiträge, 4/07). Dazu zähle "Carl Schmitts Hitler-Bild". Als Schlüssel dazu erweise sich die intensive Beschäftigung des Juristen mit Schillers Dramenfragment "Demetrius". Tatsächlich dürfte aber Schmitt die Geschichte des gen Moskau ziehenden Demetrius reichlich überstrapaziert haben, um Parallelen zum "Führer" zu entdecken - von Mehrings Deutungen ganz zu schweigen. Am Ende läßt sich das Schmitt umtreibende Rätsel, warum sich das deutsche Bürgertum Hitler "geleistet" habe, mit der simplen Antwort lösen, die der Staatsrechtler selbst parat hatte: Hitler sollte der "Sohn ihrer Rache" sein: für den verlorenen Weltkrieg, für Versailles.


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