© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/07 30. November 2007

"Tausche Geld gegen Freiheit"
Bei Sigmundskron in der Nähe von Bozen fand vergangene Woche ein Gedenken an die größte Demonstration Südtirols vor fünfzig Jahren statt
Beatrix Madl

In diesem Monat vor fünfzig Jahren fand die größte Kundgebung in der Geschichte Südtirols statt: Auf dem Berg um das Schloß Sigmundskron bei Bozen versammelten sich am 17. November 1957 etwa 35.000 Menschen, um gegen die damalige Italienisierungspolitik zu demonstrieren. Die Regierung in Rom förderte systematisch die Ansiedlung von Italienern nördlich der Salurner Klause, indem sie Industrieanlagen errichten und Sozialwohnungen bauen ließ. "Noch offensichtlicher konnte die faschistische Majorisierungspolitik nicht fortgesetzt werden," sagte jetzt anläßlich des Gedenkens die Südtiroler Historikerin Margareth Lun. Südtirol wurde damals auch noch innerhalb der Region vom Trentino dominiert. "Los von Trient", stand deshalb auf den Plakaten. Die Bannerträger und ihre Redner, allen voran der damalige Obmann der Südtiroler Volkspartei (SVP) und spätere langjährige Landesvater, Silvius Magnago, forderten die Landesautonomie. "Die SVP wäre aufgelöst worden, wenn er 'Los von Rom' gefordert hätte", sagt heute ihr ehemaliger Generalsekretär Bruno Hosp.

Zum Jahrestag feierten jetzt Befürworter der Selbstbestimmung und die Partei der Autonomie getrennt. Nach einem kleinen Festakt am Vortag auf Schloß Sigmundskron, zu dem Landeshauptmann Luis Durnwalder geladen hatte, sprach am eigentlichen Gedenktag bei der Landesversammlung der SVP in Meran unter dem Motto "1957-2007 Mut zur Zukunft" der österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Der Ehrengast betonte, Südtirol trenne Österreich und Italien nicht mehr, sondern verbinde die beiden Nachbarn. Die Autonomie sei ein Beispiel dafür, wie Minderheitenkonflikte in Europa gelöst werden könnten. Und als spiele er auf das getrennte Gedenken an, betonte er, die Geschlossenheit der Südtiroler sei für Wien ein wichtiger Faktor, um für die Rechte des Landes einzutreten. Auch der Tiroler Landeshauptmann Nordtirols Herwig van Staa war aus Innsbruck nach Meran gekommen und nicht nach Sigmundskron, wo exakt zum Jahrestag am 17. November der Südtiroler Schützenbund zum Gedenken geladen hatte.

Das Fernbleiben verwundert nicht, stand die Veranstaltung doch ganz im Zeichen der Forderung nach Selbstbestimmung. "Tirol muß eins werden, geistig wie politisch, eingebettet im Vaterland Österreich und zugehörig zur deutschen Kulturnation", hieß es in der von den Anwesenden verabschiedeten Resolution. Anders als vor fünfzig Jahren demonstrierten Schützen und Marketenderinnen mit Plakaten und Spruchbändern unter dem Motto "Los von Rom". "Tirol unsere Heimat", "Österreich unser Vaterland" und gar "Tausche Geld gegen Freiheit", war da zu lesen. Der offiziellen Gedenkschrift des Landes setzten die Schützen ein eigenes Buch mit an die fünfzig Zeitzeugenaussagen entgegen, das bei der Gelegenheit vorgestellt wurde. Die Historikerin Margareth Lun weist darin die identitätsstiftende Wirkung der Demonstration vor fünfzig Jahren nach.

Der ehemalige Landeshauptmann von Tirol, Wendelin Weingartner, warnte in seiner Festrede davor, materielle Ziele den volkstumspolitischen vorzuziehen. "Nicht die Anzahl von Skipisten, neuen Hotels oder Flughäfen, sondern die wirkliche Treue zur Heimat und zu deren Werten zählt." Oft werde die Südtiroler Autonomie als beispielhaft dargestellt. Jedoch dürfe man nicht vergessen, daß der Umgang mit den Südtirolern in der Vergangenheit gerade ein Lehrbeispiel dafür gewesen sei, "wie man eben nicht mit einer Minderheit umgeht". Er erinnerte auch daran, daß nicht nur die Kundgebung vor fünfzig Jahren, sondern auch "die Tat der Patrioten, für die sie in den Gefängnissen gebüßt haben", den Südtirolern letztlich mehr Rechte brachte. Damit meinte er die Attentate der Feuernacht im Juni 1961, über deren tatsächliche Wirkung Südtirol-Historiker ebenso streiten wie über die wahren Ziele der Demonstranten von 1957.


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