© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/07 16. November 2007

James Watson, suspendiert nach politisch unkorrekten Äußerungen
Genie und Eigensinn
von Fabian Schmidt-Ahmad

Eigentlich kann man sich keine bessere Position für einen Wissenschaftler vorstellen, die geeigneter wäre, sich Grillen zu leisten, als diese: seit 45 Jahren Nobelpreisträger der Medizin, seit 31 Jahren Direktor, zuletzt Kanzler der renommierten Cold Spring Laboratorien auf Long Island in New York, als lebende Legende der Biologie vom Time Magazine in die Liste der hundert bedeutendsten Männer des 20. Jahrhunderts gewählt.

Und doch genügten vor wenigen Wochen ein paar Sätze, um James Watson, der durch seinen Beitrag zur Entdeckung der DNS-Doppelhelix bekannt wurde, in eine Persona non grata zu verwandeln. Dabei kann man noch nicht einmal sagen, daß er - in einem Interview mit der Sunday Times - eine Unwahrheit aussprach: "Ich bin pessimistisch, was die Zukunft Afrikas betrifft. Unsere ganze Politik beruht auf der Tatsache, daß ihre Intelligenz die gleiche ist wie unsere - aber alle Tests sagen, daß dem nicht so ist." Tatsächlich kann sich Watson auch auf die empirischen Ergebnisse anderer seriöser Forscher stützen. So ist etwa unbestritten, daß schwarze US-Amerikaner im Schnitt 10 bis 15 IQ-Punkte weniger erzielen als weiße. Unklarheit herrscht lediglich über die Ursachen dafür. Dennoch war die Äußerung ausreichend, um weltweit Feuilletonschreiber in hochkarätige Naturwissenschaftler zu verwandeln, die "krude Ideen", "Rassismus" oder - allen Ernstes - "Unwissenschaftlichkeit" ausmachten.

Wiederholt zog sich Watson bereits Rüffel für politisch inkorrekte Äußerungen zu. Ohne Zweifel kann man dem 1928 in Chicago geborenen Biochemiker allerdings zum Beispiel auch eine gehörige Portion Sexismus vorwerfen. So sinniert er in seinem Buch "Die Doppelhelix" über die "Unweiblichkeit" von Rosalind Franklin, statt zu erwähnen, daß er ohne ihre Forschungen nie den Nobelpreis hätte gewinnen können (JF 30/03). Erheblich fiel auch das Echo aus, als Watson schwangeren Frauen das Recht auf Abtreibung zubilligte, falls das Erbgut des Embryos auf Homosexualität hindeute. Und ebenso, als er Schwarzen eine stärker ausgeprägte Libido als Weißen zuschrieb.

Allerdings dürfte ein Gutteil des Unmuts seiner traditionell gynophoben Fachkollegen auch durch den Erfolg seiner populärwissenschaftlichen Darstellungen provoziert worden sein, die ihn weit über wissenschaftliche Kreise hinaus bekannt gemacht haben. Als Watson letzten Monat die Spermien älterer Männer als krank bezeichnete, weil sie eine fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit aufwiesen, ein autistisches Kind zu erzeugen, wurde auch dies nicht gern gehört. Doch hatte man in der Empörung übersehen, daß Watson dabei auf sich selbst und seinen an Schizophrenie leidenden Sohn anspielte. So schrieb er in seinem Buch: "Ich war 42, als ich Vater wurde. Ich lese, daß die Häufigkeit von Schizophrenie wächst, je älter die Eltern sind." Für solche Feinheiten allerdings kann der nun suspendierte Wissenschaftler kein Verständnis erwarten.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen