© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 46/07 09. November 2007

WIRTSCHAFT
Frischer Fahrtwind
Jens Jessen

Als SPD-Chef Kurt Beck beckmesserte, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sei eine zu vernachlässigende Größe, hat er sich zum Lautsprecher der mit dem Bahnvorstand vernetzten DGB-Gewerkschaft Transnet gemacht. Die unter dem Dach der Beamtenbund-Tarifunion organisierte GDL irritiert Transnet-Chef Norbert Hansen, einen Intimus von Bahnchef Hartmut Mehdorn. Nun hat der Kämpfer für die Bahnprivatisierung damit nichts mehr am Hut. Doch Hansen will bloß Zeit gewinnen und eine Konfrontation mit seiner "Volksaktien"-SPD vermeiden. Die Befürchtung ist berechtigt, daß die "Totsagung" des Börsenganges nur dazu dient, die Gegner in Politik und Öffentlichkeit einzulullen. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, Hansen und Mehdorn werden irgendwann mit einem Überraschungscoup den Börsengang durchsetzen. In dieser Situation fährt das Urteil des Chemnitzer Landesarbeitsgerichts wie ein Blitz in die Kuschelei von Transnet und Bahnvorstand: Die kleine GDL darf auch im Güter- und Fernverkehr streiken.

Wenn ihr ein eigener Tarifvertrag gelingen sollte, wird sie auch zur Speerspitze der Privatisierungsgegner. Solange der Bahnvorstand der Ansicht bleibt, daß ihm und nicht den Bürgern die Bahn gehört und die Mitarbeiter zu kuschen haben, ist jedoch Mißtrauen angebracht. Die Bahn ist ein aus Steuern und Nutzungsentgelten der Bürger finanziertes und zum Wohl der Menschen den Bahnmanagern als Instrument überlassenes Eigentum. Über eine Privatisierung können nur die Bürger als Eigentümer befinden. In dieser Situation ist die GDL ein Hoffnungsschimmer für frischen Wind. Und das nicht nur im Hinblick auf eine Verringerung der fortgeschrittenen Sklerose der Gewerkschaften, sondern auch der Gesellschaft.


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