© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Zeitschriftenkritik: Ketzerbriefe
Blinder Haß
Werner Olles

Die zweimonatlich im DIN-A-5-Format mit einem Umfang von ca. 80 Seiten vom Freiburger "Bund gegen Anpassung" herausgegebenen Ketzerbriefe - Flaschenpost für unangepaßte Gedanken legen Wert auf die "Förderung und die Diskussion unerwünschter Ansichten". Daher ist es auch "jedermann, unabhängig von seiner politischen Anschauung erlaubt", Nachdrucke ihrer Artikel vorzunehmen. Allerdings machen davon nicht allzu viele Publikationen Gebrauch. Denn die Ketzerbriefe vertreten einen Anti-Klerikalismus und Anti-Katholizismus, der von blindem Haß erfüllt ist.

Als Leser und Kritiker fragt man sich unwillkürlich, was einen derartigen Haß auf eine inzwischen theologisch, spirituell und vor allem machtpolitisch völlig am Boden liegende Institution wie die Katholische Kirche wohl hervorgerufen hat. Und stößt dabei immer wieder auf die gleichen alten Hüte: Inquisition, Reichskonkordat, Kulturkampf und kirchliche Machtpolitik im Mittelalter. Dort ist der Bund gegen Anpassung (BgA) dann auch stehengeblieben. Von der Entwicklung der in der Tat einst mächtigen Kirche zu einer beliebigen Sinn-Agentur unter zahllosen anderen - zu denen auch der BgA gehört - scheint man noch nie etwas gehört, geschweige denn begriffen zu haben.

Wer tatsächlich meint, die Proteste eines spanischen Erzbischofs gegen ein paar geschmacklose Pornobildchen eines "Künstlers" namens Jam Montoya, mit denen der Herr bei Anhängern unserer Spaßgesellschaft inklusive des liberalen Establishments sperrangelweit offen stehende Türen einrennt, seien bereits ein Fall von Zäsur, weiß es offenbar nicht besser und will es wahrscheinlich auch nicht wissen. Wenn besagter erzbischöflicher Protest bereits als "Drecksarbeit kirchlicher Dunkelmänner" denunziert und damit quasi auf eine Stufe mit der Fatwa eines fundamentalistischen Mullahs gestellt wird, die für den Betroffenen die Ermordung zur Folge haben kann, erübrigt sich im Prinzip jegliche Debatte über solcherlei Maßlosigkeit.

Es scheine nicht mehr weit, "bis die Catholica ihre alte Kommandohöhe wieder erreicht" heißt es weiter, und auch der nächste Beitrag handelt - wie könnte es anders sein - von einer "Reklerikalisierung". Es geht hierbei um den "Kampf gegen das Kruzifix in italienischen Gerichtssälen". Ein anderes Lieblingsthema der Ketzerbriefe ist die "unablässige Geschichte von Verrat der SPD und ihre propagandistische Übertünchung". So habe Friedrich Ebert durch "den dramatischsten und folgenreichsten Verrat in der Geschichte des neuzeitlichen Europas, also der blutigen Niederschlagung der Novemberrevolution, das Hitler-Regime erst ermöglicht. Ohne deutsche Konterrevolution kein Hitler, ohne SPD keine deutsche Konterrevolution! Das Wesen der SPD ist der Verrat." Soviel dreiste Geschichtsklitterung erlaubt sich nicht einmal die Kommunistische Plattform in der PDS.

Durchaus lesenswert sind dagegen ein Beitrag zum deutschen Afghanistan-Einsatz und die Rezension des Kurnaz-Buches "Fünf  Jahre meines Lebens - Ein Bericht aus Guantánamo".

Anschrift: Postfach 245, 79002 Freiburg. Einzelpreis 4,50 Euro, Jahresabo 30,50 Euro. Internet: www.bund-gegen-anpassung.com


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