© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/07 02. November 2007

Rückkehr auf die Tagesordnung
Ausländerwahlrecht: Bundestag behandelt Gesetzentwürfe der Grünen und der Linksfraktion / SPD signalisiert Zustimmung
Eike Erdel

Im Bundestag werden derzeit Anträge der Fraktionen von Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten beraten. Zudem hat das SPD-regierte Rheinland-Pfalz einen entsprechenden Antrag in den Bundesrat eingebracht. Selbst die christdemokratische Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth  hat sich vor kurzem nach ihrer Wiederwahl für ein kommunales Wahlrecht für Ausländer stark gemacht. Neu sind diese Forderungen nicht.

Bereits Ende der achtziger Jahre gab es Versuche, das Wahlrecht für Ausländer auf kommunaler Ebene einzuführen. Die rot-grünen Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein hatten bereits entsprechende Gesetze verabschiedet, die aber am 31. Oktober 1990 vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben worden sind. Die Karlsruher Richter führten zur Begründung aus, daß das kommunale Ausländerwahlrecht gegen den Artikel 28 des Grundgesetzes verstoße, in dem es heißt: "In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben." Mit dem Begriff "Volk" sei aber nur das Staatsvolk, also das deutsche Volk, gemeint. In der Urteilsbegründung heißt es weiter: "Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, daß das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland Träger und Subjekt der Staatsgewalt ist. Damit wird für das Wahlrecht, durch dessen Ausübung das Volk in erster Linie die ihm zukommende Staatsgewalt wahrnimmt, nach der Konzeption des Grundgesetzes die Eigenschaft als Deutscher vorausgesetzt." Die Verfassung fordere eine einheitliche demokratische Legitimation: "Wahlen, bei denen auch Ausländer wahlberechtigt sind, können demokratische Legitimation nicht vermitteln." Dies gelte ebenso für die kommunale Ebene, weil auch dort Staatsgewalt ausgeübt wird.

Ausländer aus Mitgliedstaaten der EU haben bereits durch eine Grundgesetzänderung 1992 das kommunale Wahlrecht erhalten. Ziel der neuen Initiativen ist es, das Grundgesetz nun dahingehend zu ändern, daß auch Ausländer auch Nicht-EU-Staaten auf kommunaler Ebene Wahlrecht haben. Dies ist aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich möglich, da nur das Demokratieprinzip als solches, nicht aber dessen Ausgestaltung im einzelnen verfassungsänderungsfest sei.

Es gibt allerdings auch eine Reihe Verfassungsrechtler, die in dem Wahlrecht für Ausländer eine erhebliche Verletzung des Demokratieprinzips sehen, weil durch die Wahlbeteiligung von Ausländern das Prinzip der Allgemeinheit der Wahl beeinträchtigt werde. Wird der Kreis der Wahlberechtigten über die Angehörigen des deutschen Volkes hinaus ausgedehnt und wird auf dieser Grundlage gewählt, so sei nach deren Auffassung nicht nur eine Verfassungsbestimmung verletzt, sondern das Wahlvolk und damit der Ausgangspunkt aller demokratischen Legitimation falsch bestimmt. Damit wäre eine entsprechende Grundgesetzänderung verfassungswidrig. Die Bundesregierung vertritt dagegen auch die Auffassung, daß die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer durch eine Grundgesetzänderung möglich ist. In der Koalitionsvereinbarung von SPD und Union wurde angekündigt, eine solche Änderung zu prüfen. Bisher hat sich die Koalition an dieses heiße Eisen allerdings noch nicht herangewagt.

Die SPD hat die Forderung nach Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts im neuen Hamburger Programm bestätigt. Sowohl Rheinland-Pfalz als auch die Grünen haben als Gesetzentwurf die vom Bundesrat am 26. September 1997 beschlossene Fassung einer Grundgesetzänderung vorgelegt, die damals aber der Bundestag wegen des Ablaufs der Legislaturperiode nicht mehr beraten hat. Ausreichend soll nach diesem Entwurf für die Erlangung des Wahlrechts ein ständiger Wohnsitz in der Bundesrepublik sein. Eine Klausel, daß eine bestimmte Mindestaufenthaltszeit in Deutschland Voraussetzung ist, enthält der Gesetzentwurf nicht.

Die FDP hat signalisiert, daß sie sich ein kommunales Wahlrecht für Ausländer vorstellen könnte, die seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland leben. Die Union lehnt dagegen ein solches Wahlrecht strikt ab. Damit haben die Initiativen derzeit keine Aussicht auf Verwirklichung. Immerhin müßten einer notwendigen Grundgesetzänderung zwei Drittel der Mitglieder des Bundestages und zwei Drittel der Stimmen des Bundesrates zustimmen. Eine solche Mehrheit ist derzeit nicht absehbar.

In Deutschland würde ein Ausländerwahlrecht bei Kommunalwahlen rund 4,6 Millionen neue Wahlberechtigte bedeuten. Betroffen sind vor allem Türken, die die bevölkerungsreichste nichtwahlberechtigte Ausländergruppe stellen. In manchen Kommunen würde ein Ausländerwahlrecht die politischen Verhältnisse vollkommen umkrempeln.


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