© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Dauerwahlkampf
Karl Heinzen

Zur Halbzeit der Legislaturperiode mehren sich die Spannungen innerhalb der Großen Koalition. Doch nicht allein die beiden Volksparteien als Ganzes versuchen mit Blick auf die nächsten Wahlen in den Ländern und im Bund für den Bürger ein unverwechselbares Profil zu entwickeln. Auch innerhalb der Union und der Sozialdemokratie haben die Positionskämpfe begonnen, da sich Ansprüche auf interessante Posten bei den allfälligen Personalentscheidungen der näheren Zukunft halt immer noch besser begründen lassen, wenn die Aspiranten glaubhaft machen können, daß sie ja auch für bestimmte Inhalte stehen.

Wer über den frühzeitigen Beginn des Bundestagswahlkampfes die Nase rümpft, sollte bedenken, daß dieses Phänomen nun einmal zu einer Demokratie dazu gehört. Im Prinzip herrscht im Westen der Republik seit 1949 und in den neuen Bundesländern immerhin auch schon seit 1990 Dauerwahlkampf, ohne daß dies der Prosperität unseres Landes abträglich gewesen wäre. Im Gegenteil: Die Politiker scheinen das Votum der Bürger sehr ernst zu nehmen, sonst würden sie sich nicht so intensiv darum bemühen, sie für sich zu gewinnen.

Gleichwohl ist natürlich darauf zu achten, daß sich der politische Wettbewerb in vernünftigen Bahnen abspielt. Das Augenmerk ist hier insbesondere darauf zu legen, daß populistische Parolen unterbleiben, die zu einer unrealistischen Erwartungshaltung der Bürger führen könnten. Vor dieser Versuchung sind leider nicht einmal Unionspolitiker gefeit: Vom Ehrgeiz getrieben, vielleicht doch einmal die Nachfolge von Angela Merkel antreten zu können, scheut der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers nicht davor zurück, wesentliche Bestandteile der Arbeitsmarktreformen, die unser Land in den letzten Jahren erst wieder wettbewerbsfähig gemacht haben, in Frage zu stellen. Damit entzweit er nicht nur seine Partei, sondern schürt auch ein Anspruchsdenken der Bürger, das doch als längst überwunden gelten durfte und in Wahlen sowieso immer nur der Linken zugute kommen kann.

Diesem Treiben Einhalt zu gebieten, ist eine Frage des Prinzips: Der Boom kann nur anhalten, wenn allein die für ihn verantwortlichen Eliten etwas von ihm haben. Das Begehren der Massen, am Wohlstandswachstum teilzuhaben, ist zwar verständlich, aber unbegründet. Die Bürger sollten statt dessen dankbar sein, wenn sie überhaupt einer bezahlten Arbeit nachgehen dürfen und ihre Sorgen, dem Steuerzahler auf der Tasche liegen zu müssen, etwas geringer geringer geworden sind.


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