© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/07 26. Oktober 2007

Die Schlacht ist geschlagen
Parteien: Vor dem Bundesparteitag in Hamburg sitzt SPD-Chef Beck fest im Sattel / Fliehkräfte in der Großen Koalition werden stärker
Paul Rosen

Alle denken nur noch an den Wahlkampf 2009 für den Bundestag. Während sich die Union mit ihrer Chefin Angela Merkel mit Umfragewerten von 40 Prozent bereits im sicheren Hafen und auch über 2009 hinaus an der Macht in Berlin wähnt, arbeitet die SPD noch an ihrer Aufstellung. Kurz vor dem Hamburger Parteitag der Genossen haben sich die Fronten beim kleineren Koalitionspartner aber geklärt. Parteichef Kurt Beck sitzt fest im Sattel, und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident dürfte auch Kanzlerkandidat werden. Außenminister Frank Walter Steinmeier bleibt auf der Reservebank. Arbeitsminister Franz Müntefering wird im Abseits verschwinden.

Das Signal gab der SPD-Vorstand wenige Tage vor dem Parteitag. Mit 43 gegen zwei Stimmen bei einer Enthaltung stimmte das Gremium den sozialpolitischen Vorstellungen des SPD-Chefs zu. Dazu gehört in erster Linie die Verlängerung des Arbeitslosengelds I für ältere Arbeitslose. Die Auseinandersetzung darüber hatte die SPD an den Rand einer Zerreißprobe gebracht. Müntefering warnte bis zum Schluß vor einem solchen Beschluß. Der SPD-Teil im Bundeskabinett werde geschwächt. Die SPD-Minister seien keine Entsandte der SPD, sondern fester Teil der Regierung, warnte der alte Parteisoldat vergeblich. Beck antwortete schulterzuckend, sein Vorschlag habe sich durchgesetzt, und so werde es jetzt auch gemacht.

Daß sich Müntefering nach dem Parteitag sofort auf das Altenteil zurückzieht, glaubt man in Berlin nicht. Aber der Arbeitsminister ist schwer angeschlagen. Es wird davon ausgegangen, daß Müntefering bis zur Wahl 2009 im Amt bleibt und danach auf jeden Fall aus der Regierung ausscheidet.

Mit der Niederlage des Arbeitsministers, der zäh wie kein anderer an der Agenda 2010 des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder festhielt, werden aber die Fliehkräfte in der Koalition stärker. Müntefering war eine Art Drehscheibe im Kabinett. Er arbeitete äußerst eng mit der Kanzlerin zusammen. Den Titel Vizekanzler trägt er zu Recht.

Eine weitere wichtige, zumeist unbeachtete Konstellation war Münteferings enger Draht zum ehemaligen CSU-Chef Edmund Stoiber. Beide hatten mehr als ein Arbeitsverhältnis. Dieses Netzwerk Merkel/Müntefering/Stoiber regelte souverän die Koalitionsarbeit. Doch Stoiber ist weg, Müntefering angezählt. Stoibers Nachfolger Erwin Huber macht aus seiner Abneigung gegen die SPD als Koalitionspartner keinen Hehl: "Für 2009 muß unsere Position sein: Freiheit statt Sozialismus."

Noch sehen die Zeichen für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb nach 2009 gut aus. Die CDU glaubt, daß sie 40 Prozent erreichen kann. Dann würde es zusammen mit den acht bis neun Prozent für Guido Westerwelles FDP zur Regierungsbildung reichen. Allerdings sollte man Beck nicht unterschätzen. Der SPD-Chef hat innerhalb weniger Wochen seine Partei hinter sich geschart und eine gute Ausgangslage für den Parteitag geschaffen. Aus der Hansestadt wird das Signal kommen, daß die SPD einig ist und die Rückkehr der Sozialpolitik einläutet. Das lieben die Wähler. Der Deutsche setzt bekanntlich nicht auf Streithähne, sondern will Einigkeit. Und wenn dann noch das Füllhorn geschwungen wird, war in der Vergangenheit der Stimmenzuwachs sicher.

Vorbei sind also die Zeiten, da man versuchte, in der Großen Koalition unauffällig Sacharbeit zu betreiben. Im Spiegel kündigte Beck einen Kurswechsel an: Wenn der Koalitionspartner Union "nur nach Profil lechzt, dann bleibt einem nur, genauso zu tun". Das heißt, für Beck steht im nächsten Jahr nur noch Profilierung auf dem Programm - und zwar gegen die Union. Eine schwere Aufgabe, denn in den Umfragen steht die SPD bei nur 25 Prozent. Beck braucht bei den Landtagswahlen im nächsten Jahr in Hessen und Niedersachsen dringend einen Erfolg, denn mit dem Verlierer-Image bleibt die SPD im 30-Prozent-Turm gefangen.

Ob das dem SPD-Chef gelingt, ist ungewiß. Doch mit einer einigen Partei und Fraktion stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht.

Foto: Arbeitsminister Franz Müntefering (l.) und SPD-Chef Kurt Beck: Im Streit um das Arbeitslosengeld I an den Rand gedrängt


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