© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Frisch gepresst

Pressekriege. Wohl nicht zufällig verbindet sich die Erinnerung an das deutsch-britische Verhältnis vor dem Ersten Weltkrieg mit der "Daily Telegraph-Affäre". Im Oktober 1908 hatte sich Kaiser Wilhelm II. in einem Interview mit diesem Londoner Blatt gerühmt, entscheidenden Anteil am britischen Sieg im Burenkrieg gehabt zu haben. Die Wirkung dieser und anderer "Taktlosigkeiten" auf die bilateralen Beziehungen war verheerend. Spätestens von da ab war unübersehbar, welche Bedeutung der Presse im diplomatischen "Spiel der Mächte" zukam. Der eher mit Arbeiten zur BRD-Zeitgeschichte profilierte Dominik Geppert untersucht nun in seiner Berliner Habilitationsschrift diese Interdependenz zwischen innenpolitischer Meinungsbildung, Presse- und Außenpolitik am deutsch-britischen Beispiel (Pressekriege. Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen 1896-1912, Oldenbourg Verlag, München 2007, gebunden, 490 Seiten, Abbildungen, 49,90 Euro). Er wendet hierfür größten Forscherfleiß auf, muß jedoch eher bescheiden konstatieren, daß die Presse seit Ende des 19. Jahrhunderts als "Mitgestalter von Wahrnehmungsmustern, Deutungsangeboten und Sinnstiftungsweisen" zwar nicht zu unterschätzen sei, aber eine "pressehistorische Analyse" natürlich nicht den Ausbruch des Krieges in der Juli-Krise 1914 erklären könne.

Alter Fritz. Um die "Verankerung" des in zahllosen Anekdoten volkstümlich formatierten "Alten Fritz" im "kollektiven Bewußtsein vieler Deutscher" über zwei Jahrhunderte hinweg geht es dem Potsdamer Historiker Peter-Michael Hahn in seiner "Geschichte als politisches Argument" im Untertitel führenden Untersuchung über "Friedrich der Große und die deutsche Nation" (Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2007, 285 Seiten, Abbildungen, 28 Euro). Hahn leistet damit einen Beitrag zur in Mode gekommenen Historiographie der "Gedächtnisstiftung" und "Erinnerungspolitik". Der große Preußenkönig gibt hierfür seit langem ein dankbares Objekt ab, vor allem ist die Friedrich-"Inszenierung" zwischen 1933 und 1945 öfter analysiert worden, zuletzt von Frank-Lothar Kroll (JF 35/07). Eine Gesamtdarstellung, die eingehend Kontinuitäten und Brüche des Friedrich-Bildes reflektiert, fehlte allerdings bis heute. Hahn hat diese Forschungslücke nun geschlossen, wenn auch wichtige Kontroversen, etwa die seit 1880 zwischen Hans Delbrück und militärhistorischen Apologeten des fritzischen Feldherrengenies ausgefochtene, ausgeblendet werden.

Unberührbare. Im oft als "größte Demokratie der Welt" gepriesenen Indien gilt nach wie vor das Kastensystem, obwohl per Verfassung offiziell außer Kraft gesetzt. Die frühere Asien-Korrespondentin des Standard, Brigitte Voykowitsch, widmet sich der Kaste der Unberührbaren, die immer noch zu einem ausweglosen Dasein als gesellschaftlicher Bodensatz verdammt sind. Diese millionenfache Unterdrückung ist allerdings selten Gegenstand der allenthalben auf "Menschenrechte" pochenden Moralwächter des Westens (Dalits. Die Unberührbaren in Indien. Verlag der Apfel, Wien 2007, gebunden, 205 Seiten, 26,80 Euro).


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