© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Glücksgefühle
Karl Heinzen

Die empirische Glücksforschung ist durch eine breit angelegte Untersuchung der dänischen Aarhus School of Business, deren Ergebnisse soeben der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, einen erheblichen Schritt vorangekommen. Im Rahmen des "World Value Survey" waren weltweit 90.000 Personen jeweils 400 Fragen vorgelegt worden, die insbesondere auf ihre politische Einstellung, ihr Vertrauen in andere Menschen, die Lebenszufriedenheit und das religiöse Empfinden zielten. Die Auswertung der Antworten untermauert die These, daß "links" orientierte Menschen offenkundig unglücklicher sind als "Rechte" - und das unabhängig davon, wo sie auf unserem Erdball leben und wie wohlhabend sie sind.

Dieses Resultat der Erhebung steht im eklatanten Widerspruch zu einer lange gültigen Gewißheit, der zufolge Linke sich auf der Seite des Fortschritts sähen, daher optimistisch und der Welt zugewandt seien und somit auch keine Skrupel empfänden, ganz private hedonistische Lebensansprüche durchzusetzen. Rechte hingegen trügen die Last eines pessimistischen Weltbildes, das sie zu larmoyanten, freudlosen und hartherzigen Miesepetern werden lasse, die krampfhaft und böswillig nicht zu rechtfertigende Zustände verteidigen.

Welche Gründe sind dafür zu benennen, daß diese saubere und plausible Scheidung der politischen Lager in Mentalitäten und Lebenseinstellungen heute offenbar hinfällig ist? Zuallererst ist hier natürlich die Tristesse zu benennen, die sich der Linken in den vergangenen zwei Jahrzehnten bemächtigt hat. Der real existierende Sozialismus, der bei all seinen Schwächen doch so etwas wie die Rolle eines Vorreiters für eine bessere Welt spielte, ist gescheitert. In den entwickelten Gesellschaften haben die Marktideologen die Meinungsführerschaft übernommen. Die traditionellen Bewegungen der Linken haben ihre Ideale von Freiheit, Gleichheit und Solidarität verraten. Zum anderen ist unter der "Rechten" heute etwas anderes zu verstehen als in der Vergangenheit. Dieser Begriff wird unterdessen auf bürgerliche Konservative angewandt, die Arnold Gehlen zwar weder kennen noch lesen, ihn aber in ihrem ausschließlich praktisch ausgerichteten Leben erfolgreich beherzigen. Frei von dem Bedürfnis, die herrschenden Verhältnisse kritisch zu analysieren oder gar zu verändern, nutzen sie dankbar jedes Entlastungsangebot, das zur unbekümmerten Beschäftigung mit den naheliegenden Dingen des Lebens freistellt. So, aber auch nur so kann man in unserer Gesellschaft natürlich sehr leicht glücklich sein.


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