© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Anmut für die Ewigkeit
Karlsruher Schloß: Eine Ausstellung über die Schönheit im Alten Ägypten
Matthias Schultz

Von den sieben Weltwundern der Antike sind allein die Pyramiden übriggeblieben. Und so wie diese gigantischen Monumente für die Ewigkeit erbaut zu sein scheinen, hat in ihnen wie in vielen anderen Gräbern auch die Kunst der Alten Ägypter die Jahrtausende überstanden - und konnte damit viele nachfolgende Kulturen inspirieren. Ihre Schönheitsideale, ihre Vorstellung von Anmut und Vollkommenheit wirken unvermindert bis zum heutigen Tage fort.

Internationale Künstlergrößen wie Pablo Picasso, Francis Bacon, Alberto Giacometti oder Bauhaus-Lehrer wie Paul Klee und Johannes Itten setzten sich intensiv mit dem Formenkanon dieser Hochkultur auseinander, kopierten und transformierten ihre Proportionen in ihre individuelle Sprache. So sind in der aktuellen Ausstellung des Badischen Landesmuseums im Karlsruher Schloß zur Zeit nicht nur weit über 400 hochwertige und zum Teil erstmalig der Öffentlichkeit präsentierte antike Exponate aus eigenem Bestand sowie dem Berliner Ägyptischen Museum, dem Roemer- und Pelizaeus Museum in Hildesheim und dem Kestner-Museum in Hannover zu sehen, sondern auch Arbeiten aus der jüngeren Vergangenheit.

Zum Beispiel das Werk des Benediktinermönchs Desiderius, bürgerlich Peter Lenz. Der wollte um 1870 mit einem Rückgriff auf die stark von geometrischen Grundformen geprägte altägyptische Formensprache die christliche Kunst erneuern, ähnlich wie schon vor ihm die Präraffaeliten den realistischen und damit für ihn allzu irdischen Stil des Historismus zu überwinden trachteten. Im Schwarzwälder Kloster Beuron malte er strenge, stilisierte Engel, Madonnen und einen Christus, die allesamt an die starren, aber erhabenen Darstellungen der Pharaonen wie Hatschepsut erinnern, die sich übrigens, obwohl eine Frau, als Mann und mit Bart verewigen ließ. Peter Lenz' Anliegen und Vorgehen blieb natürlich nicht gänzlich unumstritten, vermischte er doch heidnische Formen und christliche Inhalte unbefangen miteinander. Das in seinen üppigen Goldtönen zudem auch sehr byzantinisch bzw. orthodox anmutende Ergebnis füllt einen guten Teil der Ausstellung über die Rezeption der altägyptischen Kunst.

Die wiederum stellt natürlich den größten Teil der Sonderausstellung. Gleich zu Beginn wird der Besucher von einer Vielzahl erlesener Statuetten, Reliefs und Wandmalereien empfangen. Sie verdeutlichen, wie wichtig den alten Ägyptern das Thema Schönheit war. Die stilisierten Abbildungen der Menschen sollten nicht nur die vollkommene äußere Anmut, sondern auch ein vollendetes inneres Wesen symbolisieren. Denn nach dem Ableben mußte ein jeder sich für sein irdisches Leben vor den Göttern rechtfertigen. Die guten und die schlechten Taten wurden, wie ein Relief der Ausstellung belegt, auf einer Balkenwaage mit einer Feder aufgewogen. Inschriften auf den Wänden sowie Sarkophagen, von denen einer auch in der nachgebauten Grabkammer der Ausstellung präsentiert wird, betonten zudem, daß der Verstorbene natürlich nie etwas Unrechtes getan haben sollte, so daß die Reinheit seiner Seele sich folglich auch in der Vollkommenheit der Darstellung seines Äußeren widerspiegeln mußte.

Schönheit war also im Alten Ägypten für den unbeschadeten Fortbestand der Seele etwas Unabdingbares, nicht nur schnöder Glanz der Gegenwart. Für dieses absolute Schönheitsideal wurde über die Jahrtausende ein spezieller, nur in Nuancen variierter und damit weitgehend unverändert beibehaltener Formenkanon entwickelt, der es heute relativ einfach macht, ihre Kunst mit einem Blick zu erkennen. So wurden alle Figuren stets in ein für ausgeglichene Proportionen sorgendes Raster eingepaßt, stehend maßen sie dann in der Höhe 18, sitzend 14 Quadrate. Unvollendete Reliefs, auf denen diese Hilfslinien noch zu erkennen sind, belegen dies.

Ging es allerdings um die Schilderung des Alltags oder der Dienerschaft, die ja auch für das angenehme Fortleben des Verstorbenen im Jenseits unabdingbar waren, so entfiel diese strenge Vorgabe. Dann wurden viel zu kleine Köpfe durchaus auch einmal aus Platzmangel und allzu lässiger Vorplanung auf einem etwas massigen Rumpf montiert. Oder eine Konkubine auf dem Ruhebett aus der 18. Dynastie, schätzungsweise um 1450 vor Christi Geburt, auch einmal mit viel zu kurzen Beinen wiedergegeben.

Eine andere, ebenfalls eine Liebesdienerin auf dem Ruhelager darstellende Statuette, trägt hingegen schon auffallend individuelle Züge und räkelt sich in einer lasziven, dynamischen Stellung. Sie stammt allerdings auch schon aus der Ptolemäer- oder Römerzeit, also aus der Spanne zwischen dem dritten vorchristlichen und dritten nachchristlichen Jahrhundert, als wiederum die ägyptische Kunst ihrerseits bereits Einflüsse aus anderen Kulturen übernommen hatte. 

Die Ausstellung "Schönheit im Alten Ägypten - Sehnsucht nach Vollkommenheit" ist bis zum 27. Januar 2008 im Erdgeschoß des Karlsruher Schlosses zu sehen. Täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr.

Zur Ausstellung ist ein reichbebildeter Katalog mit 295 Seiten zum Preis von 19,80 Euro erschienen.

Weitere Informationen im Internet unter www.landesmuseum.de


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen