© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/07 12. Oktober 2007

Drei Monate Urlaub
Meinungsfreiheit: Das Bundesverkehrsministerium hat einen Regierungsdirektor aus dem Verkehr gezogen, dem rechtsextreme Ansichten unterstellt werden
Peter Freitag

Am 22. September meldete der Tagesspiegel, das Bundesverkehrsministerium habe einen "rechten Beamten" beurlaubt. Unter Berufung auf diese Meldung titelte die Welt am selben Tag: "Tiefensee beurlaubt rechtsextremen Mitarbeiter". Anlaß für dieses Vorgehen gegen Regierungsdirektor Josef Schüßlburner seien, so berichten beide Zeitungen, von diesem verfaßte Texte, die im Internet sowie der österreichischen Zeitschrift Die Aula erschienen waren. Darin habe Schüßlburner den Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches, der die Leugnung des Holocaust als Volksverhetzung ahndet, als verfassungswidrig bezeichnet. Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich die Geschichte etwas anders dar.

Bereits im April hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Gerster auf die publizistische Tätigkeit Schüßlburners und dessen "rechtsextreme Gesinnung" hingewiesen. Daraufhin verlangte die Linksfraktion mit einer Kleinen Anfrage Auskunft über die "Beschäftigung von Anhängern rechtsextremen Gedankenguts in Bundesministerien und anderen Bundesbehörden".

In ihrer Wortmeldung halten die Abgeordneten dem Regierungsdirektor vor, er publiziere in vom Verfassungsschutz als "rechtsextrem" eingestuften Publikationen, kritisiere die Vergangenheitsbewältigung und nenne das Verbot des Zeigens der Hakenkreuzfahne verfassungswidrig.

Tatsächlich stammt ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat aus einem Artikel, in welchem Schüßlburner die gesetzgeberischen Grenzen der Meinungsfreiheit untersucht und festgestellt hatte, daß nach den Grundsätzen der Weimarer Verfassung ein solches Verbot verfassungswidrig wäre, da die Einschränkung der Meinungsfreiheit damals nur zulässig war, wenn sie nicht gegen einzelne Inhalte angewendet wurde. Schüßlburner hatte in diesem Zusammenhang die Unberechenbarkeit der bundesdeutschen Rechtspraxis kritisiert.

Nationalsozialismus und sozialistische Ideologie

Viel stärker scheint den Linkspartei-Parlamentariern jedoch aufgestoßen zu sein, daß der 53jährige Verwaltungsjurist in seinen Veröffentlichungen mehrfach die Herkunft des Nationalsozialismus aus der sozialistischen Ideologie betont hatte und ihn in einem Atemzug mit dem stalinistischen Totalitarismus nannte.

Auf die meisten dieser Fragen antwortete die Bundesregierung am 13. September summarisch: "Die Bundesregierung tritt rechtsextremistischen Verhaltensweisen, unabhängig von deren konkreten Ausdrucksformen, entschieden entgegen ... Zu einzelnen Maßnahmen wird grundsätzlich nicht Stellung genommen. Sie unterliegen dem allgemeinen Persönlichkeits- und Datenschutz." Auf die Nachricht von der am 20. September erfolgten Beurlaubung des in Bonn tätigen Juristen jubelte SPD-Mann Gerster auf seiner Internet­seite, diese Entscheidung des Ministeriums sei eine "überfällige Konsequenz". Jedoch streicht sich der Abgeordnete das Verdienst seiner Wächtertätigkeit unberechtigterweise ein.

Tatsächlich ist Josef Schüßlburner nicht wegen seiner Texte beurlaubt worden, an denen Gerster und die Abgeordneten der Linkspartei öffentlich Anstoß genommen haben. Die Maßnahme des Ministeriums erfolgte aufgrund einer von Schüßlburner bei seinem Dienstherrn eingereichten Petition. In dieser hatte der Regierungsdirektor sich dagegen verwahrt, daß die Bundesregierung überhaupt auf die Kleine Anfrage antwortet, da diese rechtlich nicht zulässig sei. Denn die Bundesregierung darf öffentlich nur auf Fragen eingehen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, was im Falle dieser Anfrage der Linkspartei nicht zutrifft. Denn was deren Abgeordnete vorbrachten, betraf Meinungsäußerungen Schüßlburners, für deren Würdigung die Regierung nicht zuständig ist.

In der Sache nichts Neues

Da die von einem Anwalt eingereichte Petition jedoch auch eine juristische Prüfung des Legalitätsstatus der Linkspartei empfiehlt, hat das Verkehrsministerium Regierungsdirektor Schüßlburner beurlaubt, um die derzeit laufenden Haushaltsberatungen zwischen Bundestag und Bundesregierung nicht zu gefährden: Anscheinend befürchtet die Behörde eine Beeinträchtigung des Verhandlungsklimas mit den im Bundestag vertretenen Parteien, wenn ruchbar würde, daß ein Ministerialbeamter Zweifel an der Legalität der ehemaligen DDR-Staatspartei hegt, da diese wiederum Nachfolgerin der vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verbotenen KPD ist.

Die Beurlaubung Schüßlburners, die noch keine disziplinarrechtliche Maßnahme ist, läuft - selbst in dem Fall, daß sein Einspruch dagegen erfolglos bliebe - automatisch nach drei Monaten aus. Folgen dann keine weiteren disziplinarrechtlichen Schritte, kann der Experte für Luftverkehrsrecht ohne weitere Einschränkungen an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. In früheren Fällen, die mindestens einmal auch schon auf eine Verleumdung der (damaligen) PDS zurückging, waren solche Untersuchungen zugunsten Schüßlburners verlaufen.

Ein ähnliches Ende könnte auch der aktuelle Fall nehmen; denn außer ein paar neueren Texten mit vermeintlich rechtsextremen Äußerungen Schüßlburners haben die linken Abgeordneten in der Sache nichts Neues vorgelegt, was von disziplinarrechtlicher Relevanz wäre. Von der Pressestelle des Verkehrsministeriums, die bereits vor Schüßlburners Beurlaubung mit der Ankündigung eines gegen ihn einzuleitenden Disziplinarverfahrens an die Öffentlichkeit ging, lag bis Redaktionsschluß keine Stellungnahme zu den fehlerhaften Berichten in der Welt sowie im Tagesspiegel vor.


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