© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 41/07 05. Oktober 2007

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Tragik
Karl Heinzen

Selbst erhebliche Verdienste um unser Gemeinwesen zählen plötzlich nichts mehr, wenn die Justiz im eitlen Bewußtsein ihrer durch das Grundgesetz verbrieften Unabhängigkeit meint, ein Haar in der Suppe gefunden zu haben. Diese leidige Erfahrung mußte auch Manfred Kanther, der in der Ära Kohl als Innenminister nicht zuletzt für den Schutz unserer Verfassungsordnung verantwortlich gezeichnet hatte, im Prozeß um die sogenannten "schwarzen Kassen" der hessischen CDU machen. Obwohl man doch eigentlich davon ausgehen durfte, daß er sozusagen schon von Amts wegen mit einem soliden Rechtsempfinden ausgestattet war, haben ihn Richter, Staatsanwälte und eine hämische Öffentlichkeit zum gewöhnlichen Kriminellen stigmatisiert, der all das zu verkörpern schien, was man den Eliten unseres Landes nur zu gerne an Mauscheleien unterstellt.

Nun, nach sieben Jahren des Spießrutenlaufens hat die Tortur für Manfred Kanther endlich ein Ende - und noch dazu ein einigermaßen glimpfliches. War er im ersten Verfahren wegen vermeintlicher Untreue zum Nachteil seiner Partei noch zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, kommt er nach erfolgreicher Revision vor dem Bundesgerichtshof nun letztinstanzlich  mit einer Geldstrafe von 54.000 Euro davon. Dies hat für ihn den Vorteil, daß er nach der irreparablen Rufschädigung nicht auch noch seiner Ministerpension verlustig geht.

Man kann sicher nicht bezweifeln, daß in diesem Verfahren unter dem Strich das Gesetz so, wie es leider nun einmal ist, richtig angewandt wurde. Um so alarmierender ist, daß das formal korrekte Urteil dem Geist unseres demokratischen Rechtsstaates fundamental zuwiderläuft. Manfred Kanther hat sich zu keinem Zeitpunkt persönlich bereichert.

Nicht sein rechtswidriges Vorgehen, sondern dessen Aufdeckung, also etwas, was er keinesfalls beabsichtigte, hat der CDU Schaden zugefügt. In der Rechtsgüterabwägung, entweder dafür Sorge zu tragen, daß seine Partei ihren wichtigen Verfassungsauftrag erfüllen kann, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, oder kleinlichen, aus Neid und Politikverdrossenheit gespeisten Normen den Vorrang zu geben, hat er sich uneigennützig, klug, mutig und verantwortungsbewußt entschieden.

Die Tragik von Manfred Kanther liegt darin, daß er letztlich genau das Gegenteil von dem bewirkt hat, was er eigentlich intendierte. Sein "Fall" war Wasser auf die Mühlen all der Verächter unseres Staates, die jeden billigen Anlaß nutzen, um die Bevölkerung gegen die demokratischen Parteien aufzustacheln.


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