© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

Weisheit contra Korrektheit
Bibel im politischen Alltag
Georg Alois Oblinger

Die Bibel ist zwar das meistverkaufte Buch der Welt und in nahezu jedem Haushalt findet sich ein Exemplar. Doch nur wenige lesen wirklich darin. Meist begnügt man sich mit Halb- und Falschwissen und meint genau zu wissen, was darin stehe. So ist die Bibel vielleicht sogar das am häufigsten mißverstandene Buch.

Zahlreich sind die Gemeinplätze, die man der Bibel zuschreibt und die in ihrer genauen Deutung oftmals der Beliebigkeit anheimgestellt werden: Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Gleichheit, Toleranz. Politiker - sofern sie die Bibel als Fundament unserer abendländischen Kultur nicht ganz ignorieren - können solch beliebte Worthülsen in ihren Sonntagsreden aufgreifen und nach eigenem Gutdünken mit Inhalten füllen.

Der renommierte Neutestamentler Klaus Berger ist als Bibelwissenschaftler - er lehrte von 1974 bis 2006 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg - der Frage nachgegangen, welche Impulse die Texte der Bibel der Politik und dem öffentlichen Leben mitgeben können. Er schöpft dazu vorwiegend aus der biblischen Weisheitsliteratur: Sprüche Salomos, Kohelet, Jesus Sirach, Weisheit, Psalmen.

Aus der Bibel, der Tradition der Kirchenväter und der kirchlichen Orden zieht Berger Konsequenzen für das politische Handeln in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Arbeit, Bildung und Medien. Vor allem tadelt er eine in vielen gesellschaftlichen um sich greifende fast totalitäre "correctness", die genau vorgibt, wie man zu denken habe. Doch kann "unter dem Deckmantel des Meinungskonformismus jeder tun und lassen, was er will, solange es nicht auffällt". Die Bibel betont stets die Verantwortung des Einzelnen, der für seine Überzeugungen und Handlungen Rechenschaft ablegen muß. Immerhin haben sich in unseren Tagen aus Protest gegen die "correctness" zwei evangelische Pfarrer verbrannt. Der eine kritisierte den Linkstrend seiner Kirche (der Zeitzer Oskar Brüsewitz 1976), der andere die Hofierung des Islam, wie Pfarrer Roland Weißelberg, der sich am Reformationstag 2006 vor dem Erfurter Augustinerkloster verbrannt hat (JF 46/06). Die Botschaft dieser Männer sollte man nicht vergessen.

Klaus Berger: Die Wahrheit ist Partei. Öffentliches Handeln und biblische Weisheit. Herder Verlag, Freiburg i. Br. 2007, broschiert, 160 Seiten, 14,90 Euro


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