© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

Frisch gepresst

Philharmoniker. Die publizistischen Vorschußlorbeeren, die der kanadische Historiker Misha Aster für seine Geschichte der Berliner Philharmoniker in der NS-Zeit erhielt, ließen befürchten, daß sich hier wieder einmal ein "zorniger junger Mann" aus der "Generation Goldhagen" ausgetobt oder mindest sich dem Hypermoralismus eines Michael H. Kater und dessen Verdammungen der "Musik im Dritten Reich" hingegeben haben könnte. Gottlob ist dem nicht so. Zwar agiert Aster auf der schmalen zeithistorischen Basis weniger für ihn maßgebender Werke der Mommsen, Burleigh, Wehler, doch die ihm deswegen unterlaufenden Fehler, manche anfechtbare Urteile und Wertungen, halten sich in den inzwischen üblichen Grenzen. Um Sachlichkeit bemüht, ist Aster sogar eher in dieser Richtung übers Ziel hinausgeschossen, da er den Leser endlos mit der Aufführungs-Chronik, den Details von Honorarfragen oder den Reisespesen der nach 1939 im "europäischen Großraum" aktiven Furtwängler-Truppe traktiert. Hat man diese Faktenberge hinter sich gelassen, nimmt man das Fazit des Autors beinahe enttäuscht zur Kenntnis: Die Berliner Spitzenmusiker haben sich mit dem NS-System "arrangiert" - mehr war nicht ("Das Reichsorchester". Die Berliner Philharmoniker und der Nationalsozialismus, Siedler Verlag, München 2007, gebunden, 400 Seiten, Abbildungen, 21,95 Euro).

 

Friedrich Sieburg. Dem Vernehmen nach plant der Herausgeber von Carl Zuckmayers "Geheimreport", Gunther Nickel, eine "ultimative" Biographie über Friedrich Sieburg, einen der bedeutendsten deutschen Publizisten des 20. Jahrhunderts. Bis Nickels mutmaßlich literaturwissenschaftlich hochgerüstetes Opus vorliegt, muß man sich mit etwas leichterer, gefälligerer Kost begnügen: Cecilia von Buddenbrocks mit verehrender Sympathie geschriebener Darstellung, die sich weitgehend auf die eher lückenhafte Nacherzählung des Lebens und manch ausführliche Referate des nur noch antiquarisch verfügbaren Sieburg-Werkes beschränkt - der Reisereportagen aus den dreißiger, der Biographien aus den fünfziger Jahren und natürlich der Frankreich-Bücher. Dabei kommen seine ätzenden zeit- und literaturkritischen Einlassungen während des westdeutschen "Wirtschaftswunders" viel zu kurz (Friedrich Sieburg 1893-1964. Ein deutscher Journalist vor der Herausforderung eines Jahrhunderts. Societäts-Verlag, Frankfurt/Main 2007, gebunden, 312 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro).


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