© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/07 21. September 2007

Lektionen des Todes
Islamismus: Der Schauspieler Manfred Zapatka deklamiert zwei Reden eines muslimischen Haßpredigers
Jean Lüdeke

Ein glühend heißes Film-Eisen: Am Donnerstag dieser Woche startet Romuald Karmakars Dokumentarfilm "Hamburger Lektionen", auf der Berlinale 2006 uraufgeführt, bundesweit in den deutschen Kinos. Darin deklamiert der bekannte Schauspieler und Sprecher Manfred Zapatka zwei Reden des muslimischen Haßpredigers Mohammed Fazazi, die der vor den Anschlägen 2001 in New York und Washington als Imam in der Hamburger Al-Quds-Moschee gehalten hatte. Auch einige der Attentäter vom 11. September hörten dort regelmäßig Fazazis "Offenbarungen". Obwohl die beiden Lektionen schon vor sechs Jahren gehalten wurden, finden sich darin frappierende Aussagen, die nicht nur vor dem Hintergrund gegenwärtiger Islamisierungstendenzen und vereitelter Terroranschläge eine erschreckende Aktualität genommen haben.

Ende der 1990er Jahre wurde Mohammed Fazazi Imam der Al-Quds-Moschee in Hamburg. Im Januar 2000, in den letzten Tagen des Fastenmonats Ramadan, hielt er im Gebetsraum der Moschee mehrere sogenannte "Lektionen", bei denen die Anwesenden Fragen zu verschiedenen Aspekten des Lebens stellen konnten, die sie in der Regel schriftlich vorlegen mußten. Diese Sitzungen wurden von einer unbekannten Person auf Video aufgenommen und in der Buchhandlung der Moschee, aber auch extern ediert.

Als am 11. September 2001 Selbstmordpiloten die Flugzeuge in das World Trade Center lenkten und damit die ganze Welt in einen Schockzustand versetzten, wußte keiner von der eindeutigen und verheerenden Spur auch nach Deutschland; denn drei der Attentäter standen in engem Kontakt zu Mohammed Fazazi. "Hamburger Lektionen" widmet sich diesen "Predigten" und analysiert dabei die ideologische Rechtfertigung eines militanten Islams.

Mit "Das Himmler-Projekt", seinem Film über die dreieinhalbstündige "Posener Rede" Heinrich Himmlers aus dem Jahr 1943 ("eines der schrecklichsten Zeugnisse deutscher Sprache", so der Historiker Joachim C. Fest) hatte Karmakar schon 2000 die filmische Vergegenwärtigung einer derartigen Inspektion radikalen Denkens gewagt. Der preisgekrönte Regisseur ("Der Totmacher", 1995) läßt Manfred Zapatka zwei Predigten des Imam Fazazi in deutscher Übersetzung vorlesen: Allein auf einem Stuhl sitzend, zwei Tischchen neben sich, vor neutralem Hintergrund. Aus Zapatkas Mund fließen mit sonorer, cremiger Stimme fremde Worte, die er sich nie angeeignet hat; er spricht sie lediglich aus.

Sehr sorgfältig wurde der vorgelesene Text übersetzt, immer wieder unterbrochen durch Erläuterungen von religiösen Begriffen, die auch im arabischen Original genannt werden: "Bidaa" ("Reform"), als Abweichung vom Koran und der "Sunna" sind grundsätzlich verachtenswert. So heißt es an einer Stelle: "Allein der Prophet und seine Gefährten sowie die drei folgenden Generationen der Muslime haben gläubig und rein gelebt ..."

Ein profunder, statischer Film, der gut zwei Stunden dauert, mit nur einem Interpreten, der nicht vom Platz weicht und bis auf ein paar dezente Blicke in die Kamera stets vom Blatt liest, das strapaziert teilweise übermäßig die Geduld, vor allem jedoch setzt es kontinuierliche Aufmerksamkeit und ein ausgesprochenes Interesse am Thema voraus. Daß dieses Interesse allerdings existiert, davon zeugte schon der bis auf den letzten Platz besetzte große Saal auf der Berlinale.

Der Bedeutung des Wortes im Film entsprechend, nahm die Übersetzung des arabischen Videos mit vier Monaten den größten Teil der Vorbereitung in Anspruch. Gleich vier Übersetzer waren damit beschäftigt, diverse arabische Dialekte - und das bei zum Teil schlechter Qualität des Originaldokuments - in ein verständliches Deutsch zu übertragen.

Der Aufbau des Filmes folgt dabei der Struktur der "Vorlesungen": Beginnend mit Fragen zum Allgemeinen und zur Familie, werden im Mittelteil Kriterien des Glaubens bzw. Unglaubens fokussiert, bevor zum Ende des Films das Verhältnis gläubiger Muslime individuell und kollektiv zum Westen im Stile eines Haßpredigers erläutert und gewertet wird. Großen Raum nimmt dabei die Deutung und Interpretation alter Koranverse auf moderne Lebensverhältnisse der westlichen Welt ein. Ausführlich wird zum Beispiel erörtert, unter welchen Konditionen eine muslimische Frau allein reisen oder Kontakte mit Ungläubigen aufnehmen darf. Kein Zweifel: Die mit der Übersetzung dieser beiden Predigten möglich gewordene Konfrontation mit dem sonst für die deutsche Öffentlichkeit nicht zugänglichen islamistischen Weltbild stellt zweifelsohne die lobenswerteste Leistung dieser filmischen Schwerkost dar.

Fazazi schmort inzwischen in einem marokkanischen Gefängnis: Nach den Selbstmord-Anschlägen in Casablanca im Mai 2003 wurde der Haßprediger von einem Gericht in Marokko als "Theoretiker" der Gruppierung "Salafiya Jihadia" der Anstiftung zum Mord und Teilnahme an der Planung terroristischer Akte für schuldig befunden und zu dreißig Jahren Haft verurteilt. In Deutschland gab es hingegen nie auch nur die Spur einer Ermittlung ...

Brisant: Eingeblendet werden auch immer wieder die Reaktionen des in der Zapatka-Lektion natürlich nicht nachgestellten Publikums wie Geläch-ter: Das Einverständnis beweist sich so, gut nachvollziehbar, auch und erst recht im nicht Gesagten, zumal der "Humor" der Fundamentalisten die "Freiheit" initiiert, Andersdenkende einfach zu töten: "Es sind ja weniger die Leute, die bei Schäuble am Tisch sitzen, die uns Angst machen, sondern es sind bestimmte radikale und gewaltbereite Menschen, mit denen man sich auseinandersetzen muß", bekräftigte Karmakar. Fest steht: Die Realität suchte und sucht die mondiale Dissonanz, der Film aber wenigstens den minimalen Dialog.

Foto: Vortragender Manfred Zapatka: Die Geduld der Zuhörer wird teilweise übermäßig strapaziert


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