© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Am Anfang war das Wort ...
... aber welches? Die Initiative Deutsche Sprache und die Stiftung Lesen suchen den "schönsten ersten Satz"
Thorsten Thaler

Dieser erste Satz ist nicht besonders originell. Er weckt weder Erwartungen noch Emotionen, er erzeugt keine Spannung, enthält kein Versprechen, bezaubert nicht und macht nicht neugierig. Er ist einfach nur da, mehr nicht, denn mit irgendeinem ersten Satz muß dieser Text hier ja schließlich anfangen. Damit erfüllt er zweifellos seine Hauptfunktion, doch hätten auch viele andere Sätze an seiner Stelle stehen können.

Als Schriftsteller sollte man sich tunlichst mehr Mühe geben. Wie etwa William Goldmann: "Dieses Buch ist mir das liebste auf der Welt" (Brautprinzessin). Oder Cees Nooteboom: "An dem Tag, als Inni Wintrop Selbstmord beging, standen die Philips-Aktien auf 149,60" (Rituale). Oder Joy Fielding: "Eines Tages ging Jane Wittaker einkaufen und vergaß, wer sie war" (Lauf, Jane, lauf). Nicht zu schweigen von den Klassikern: "Ihr alle kennt die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glückes ergreift" (Ernst Jünger, Auf den Marmorklippen) -  "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt" (Franz Kafka, Die Verwandlung).

Ob Roman oder Erzählung, Unterhaltungsliteratur oder Klassiker: Der erste Satz ist wichtig, keine Frage, manchmal entscheidet er über Wohl und Wehe eines Buches. Wer je in einer Bahnhofsbuchhandlung oder auf dem Flughafen, kurz vor Antritt einer Reise, noch schnell nach Lektüre gesucht hat, kennt die Situation: Mit den Augen wird rasch die Auslage gesichtet, der erste Griff nach einem Buch gilt dem Autorennamen oder einem interessanten Titel, dann überfliegt man die Rückseite bzw. den Klappentext, schließlich schlägt man das Buch auf, liest den ersten Satz - und fällt spätestens jetzt seine Kaufentscheidung.

Dieser "Magie" erster Sätze wollen seit einigen Monaten und noch bis Mitte September die Initiative Deutsche Sprache, eine Gründung des Goethe-Instituts und der Hertie-Stiftung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten, und die Stiftung Lesen mit einem Wettbewerb auf die Spur kommen. Gekürt werden soll "Der schönste erste Satz" eines deutschsprachigen Buches.

Inzwischen sind über 4.000 Lieblingssätze eingegangen, darunter auch Vorschläge aus Australien, Südafrika oder Brasilien. Den ersten Platz der meistgenannten Autoren kann bis jetzt Franz Kafka für sich behaupten, dicht gefolgt von Thomas Mann und Max Frisch.

Vorschläge mit Begründung können noch bis zum 21. September per Post gerichtet werden an: "Der schönste erste Satz", Postfach 02 10 36, 10121 Berlin. Oder im Internet unter www.der-schoenste-erste-satz.de und dort die Rubrik "Ihr Votum" ausfüllen.


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