© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

Philipp von Boeselager
Für Deutschland
von Stefan Scheil

Für Gott, fürs Vaterland, fürs Leben." Diesen Wahlspruch seiner Godesberger Schule, des  Jesuitischen Aloisius Kollegs, hat der am 6. September 1917 in Heimerzheim bei Bonn geborene  Philipp Freiherr von Boeselager sein Leben lang befolgt. Er, einer der beiden letzten lebenden Beteiligten der Erhebung des 20. Juli 1944, der nun seinen Neunzigsten feiert, habe dort Selbstdisziplin gelernt und Verantwortung zu übernehmen. Denn für sein Handeln, so der Baron, müsse ein jeder sich persönlich rechtfertigen - und zwar vor Gott: unabhängig davon, welche soziale Herkunft man als Grund oder Entschuldigung für sein Verhalten anführen könne, und unabhängig davon, was von Staats wegen gerade befohlen oder auf andere Weise für gut und wünschenswert erklärt sei.

Mit dieser Haltung gehört Boeselager zu den Unzeitgemäßen in einem Land, dessen regierende Schicht - nüchtern festgestellt - überwiegend von gottlosen Kleinbürgern geprägt ist. Diese zählen es unter anderem zu ihren Aufgaben, individuelle Verantwortung just zu jener Frage von sozialer Prägung und hormonellen Eigentümlichkeiten werden zu lassen, die Fehlverhalten letztlich auf äußere Umstände zurückführt und Verbrechen deshalb gerne als Folge fehlgeschlagener Sozialtechnik oder unverschuldeter Krankheit definiert.

Dennoch ist Boeselager gerade in den letzten Monaten einer der gefragtesten Interviewpartner der großen deutschen Medien gewesen, denn neben dem medienscheuen Ewald-Heinrich von Kleist kann nur noch er aus eigenem Erleben über das Attentat des 20. Juli 1944 berichten, für das er seinerzeit den Sprengstoff besorgt hat. Er gehörte zusammen mit Henning von Tres­ckow der Heeresgruppe Mitte an und war bereits 1943 bereit gewesen, bei einem Frontbesuch Hitlers persönlich die Waffe gegen den Diktator zu ziehen.

Der 20. Juli hat durch die laufenden Dreharbeiten für Bryan Singers Hollywood-Verfilmung mit Tom Cruise einen neuen Grad der Aufmerksamkeit gefunden. Philipp von Boeselager gibt Auskunft, auch wenn - oder weil - er der politischen Klasse der Bundesrepublik vorwirft, wesentliche Motive von Stauffenberg, Tresckow und anderen zu vergessen oder bewußt zu ignorieren. Ja, das Attentat sei durch die Kenntnis nationalsozialistischer Verbrechen motiviert gewesen, sagt er, doch habe man das Reich insgesamt retten wollen. Wenn in Deutschland heutzutage aber eine Vorstellung besonders lebendig ist, dann ist es die des angeblich zutiefst illegitimen deutschen Sonderwegs, der sich gerade mit dem Begriff "Reich" verbindet. Nur durch die totale Unterwerfung unter den Willen der westlichen Sieger sei Deutschland schließlich die Chance der Erlösung geboten worden, indem man diese Unterwerfung als "Ankunft im Westen" zu lieben lernte.

Auch diese Auffassung teilt Boeselager nicht. Die Ambivalenz und die Selbstgewißheit seines zugleich von religiösen Überzeugungen und Vaterlandsliebe geprägten Soldatenlebens stellen die herrschende Geistesverfassung in Frage. Dies wird hoffentlich noch viele Jahre so bleiben.         


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