© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 37/07 07. September 2007

"Ich lebe in Todesangst"
Seit den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh ist Geert Wilders Hollands prominentester Islam-Kritiker
Moritz Schwarz

Herr Wilders, der Bürgermeister von Brüssel hat die Demonstration europäischer Islam-Kritiker am 11. September in seiner Stadt mit der Begründung verboten, die Initiatoren verbreiteten Haß und Feindschaft. In Deutschland beklagte zuletzt Ralph Giordano, daß man hierzulande den Bau einer Moschee nicht kritisieren könne, ohne sich dem Vorwurf einzuhandeln, ein Rechtsextremist oder Nazi zu sein.

Wilders: Das ist ein Problem, das in vielen westlichen Ländern existiert. Leider gilt nämlich immer noch vielen Menschen die Bewahrung unserer eigenen Identität als politisch inkorrekt. Ich kann Herrn Giordano nur raten, all diese multikulturellen Kulturrelativisten zu ignorieren und unbeirrt für die Sache der Freiheit einzutreten. Ich weiß, daß eine große Zahl der Bürger in den Niederlanden - und sicherlich auch bei Ihnen in Deutschland - dafür sehr dankbar ist.

Sie sind neben Ayaan Hirsi Ali der bekannteste Islam-Kritiker der Niederlande. Dank der von Ihnen gegründeten islamkritischen "Partei der Freiheit" (PVV) gelten Sie seit dem Mord an Pim Fortuyn als einer der politischen Vorreiter bei diesem Thema in Europa.

Wilders: In gewisser Weise kann man unsere Partei tatsächlich als die Erben Pim Fortuyns betrachten. Während dessen Partei, die LPF, ja mittlerweile verschwunden ist, haben wir bei den letzten Wahlen im Herbst aus dem Stand 5,9 Prozent und neun Sitze geholt. Zunächst sagten uns die Wahlforscher lediglich einen oder zwei Sitze voraus. Laut Umfragen kämen wir heute sogar auf 19 Sitze! Ayaan Hirsi Ali, mit der ich früher in der Fraktion des liberalen VVD eng politisch zusammengearbeiteten habe, lebt mittlerweile in den USA. Sie hat eine schmerzhafte Lücke im niederländischen Parlament hinterlassen, denn leider gibt es nur wenige, die die Dinge so klar sehen wie sie und bereit sind, mit so großem Mut im Sinne dieser Erkenntnis zu kämpfen. Ayaan Hirsi Ali hat sich große Verdienste um unsere Gesellschaft erworben, indem sie erheblich dazu beigetragen hat, zu verdeutlichen, daß der Islam nicht nur eine Religion, sondern - vielleicht mehr noch - eine Ideologie ist.

Wie Hirsi Ali können Sie seit 2004 nur noch  unter Polizeischutz leben.

Wilders: Ja, damals wurden Ayaan Hirsi Ali und ich als Reaktion auf die Ermordung Theo van Goghs durch einen Islamisten unter Bewachung gesellt.

Zeitweilig waren Sie gar gezwungen, in Armee-Kasernen zu übernachten.

Wilders: Die Leute denken bei einer Situation wie der meinen meist nur an die Gefahr. Sie vergessen, daß unter Polizeischutz zu leben bedeutet, ein Leben wie auf der Flucht zu führen: Man ist dazu verurteilt, sein Privatleben und seine persönliche Freiheit beinahe ganz aufzugeben, nichts, aber auch gar nichts frei tun zu können. Ständig muß jeder Ort, an den ich gehe, und jede Person, die ich treffe, zuvor überprüft werden. Aber trotz aller Einschränkungen bin ich froh, daß unsere Sicherheitskräfte das für mich tun. Denn so kann ich wenigstens noch arbeiten.

Sie machen nicht den Eindruck, wütend zu sein. Sind Sie nicht zornig, daß Sie in Ihrem eigenen Land nicht frei leben können?

Wilders: Doch, Sie haben völlig recht. Und Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich mich nach dem Tage sehne, an dem dieser Zustand ein Ende hat.

Angesichts der Lage in Europa ist nicht ersichtlich, daß dieser Tag je kommen wird.

Wilders: Das ist es, was ich auch fürchte, aber ich lebe von der Hoffnung, daß es doch einmal wieder anders sein könnte. Daran klammere ich mich.

Wie gefährlich ist Ihre Lage tatsächlich?

Wilders: Ich selbst weiß das gar nicht. Das beurteilt der Geheimdienst. Und der meint: maximale Gefährdungsstufe. Gefahr droht mir ja nicht nur von radikalen Moslems hier in den Niederlanden, sondern seit der internationalen Proteste gegen mich aus dem Iran, Saudi-Arabien und Pakistan, von Islamisten aus dem ganzen moslemischen Raum.

Haben Sie Todesangst?

Wilders: Ja, manchmal habe ich das. Denn mir ist klar, daß all dieser aufwendige Schutz letztlich doch keine Sicherheit bietet, sondern die Gefahr nur zu verringern vermag. Bekanntlich sind viele islamistische Täter zu allem bereit, und solchen Leuten gelingt es, wie wir schon gesehen haben, durchaus, alle Hindernisse zu überwinden, um zu ihrem Ziel zu kommen und die schrecklichsten Dinge zu tun. Ich darf einfach nicht daran denken, das würde mich fertigmachen.

Was denken Sie über die Reaktion der Öffentlichkeit auf Ihre Lage?

Wilders: Manchmal fragen mich Parlamentskollegen: "Kommst du noch auf ein Bier mit in die Kneipe?" Dann merke ich, daß viele Menschen keine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, unter Polizeischutz leben zu müssen. Ich nehme das diesen Menschen aber nicht übel, sie meinen es nicht böse. Meine Probleme sind eben einfach nicht die ihren.

Sie betrachten es nicht als empörend, daß Ihre Umwelt diesen Zustand als normal ansieht und sich nicht mehr weiter um Sie kümmert?

Wilders: Da will ich Ihnen gar nicht widersprechen, aber der Vorwurf richtet sich gegen die Politik und nicht gegen die Öffentlichkeit. Unserer politischen Klasse werfe ich vor, daß sie es hinnimmt, daß einige ihrer Bürger in einer solchen Art und Weise bedroht sind. Ich werfe ihr vor, daß sie es hinnimmt, daß gewählte Repräsentanten des Volkes und Angehörige des Parlaments der Niederlande unter solchen Druck gesetzt werden.

Hat sich seit den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh denn nichts verändert?

Wilders: Zunächst schon, nach den Morden gerieten unsere Politiker so unter Druck, daß sie reagieren mußten. Aber was taten sie? Erstens, sie begannen über die Probleme zu sprechen. Zweitens, sie versuchten, Fortuyns Politik zu imitieren. Drittens aber - nachdem sie aufgrund der Maßnahmen eins und zwei das Volk erstmal beruhigt hatten - verschleppten sie die neue Politik! Sie ließen das Neue unmerklich wieder einschlafen! Heute sind wir fast schon wieder bei den alten Verhältnissen angelangt. Der einzige Unterschied ist, daß das Volk trotz allem heute rebellischer ist als früher - die politische Klasse aber hat sich nicht gewandelt. Wenn unsere Partei Eingaben zum Thema Einwanderung oder Islam macht, dann werden diese mit neun zu 141 Stimmen abgelehnt! Bei Umfragen und Abstimmungen im Volk bekommen dagegen Vorlagen in unserem Sinne in etwa neun von zehn Fällen die Mehrheit! Da sehen Sie, wo das Problem liegt: Die Politische Klasse hat die Anbindung an das Volk verloren beziehungsweise aufgegeben.

Sind die Morde an Fortuyn und van Gogh nur ein holländisches Problem?

Wilders: Nein, wenn die übrigen Europäer das glauben, machen sie einen schweren Fehler. Die Ursachen, die bei uns zu diesen Morden geführt haben, existieren ebenso in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien. Und wenn wir nicht aufwachen, dann werden wir Europäer erst unsere Kultur und dann unsere Heimatländer verlieren! Und das ist keine übertriebene Drohung, sondern leider eine reale Perspektive.

Rechnen Sie damit, daß in Zukunft weitere Politiker und Intellektuelle islamistischen und politisch korrekten Mördern zum Opfer fallen werden?

Wilders: Ich hoffe nicht, aber ich halte das sehr wohl für möglich. Vielleicht waren van Gogh und Fortuyn nur der Anfang.

Wie konnte der Islam in Europa zu einer solchen Gefahr werden?

Wilders: Es ist unsere eigene Schuld. Ursache ist die Einwanderung: In den sechziger und siebziger Jahren kamen zahlreiche Menschen aus moslemischen Staaten in die Niederlande und brachten ihre islamische Kultur mit. Wegen der linken Multikulti-Ideologie und aus Angst, als Ausländerfeind beschimpft zu werden, haben wir dieses Problem einfach ignoriert. So ist es gewachsen und gewachsen. Heute stehen wir nun vor den Konsequenzen dieser Realitätsverweigerung. Allerdings möchte ich klarstellen, daß ich zwischen dem Islam und den moslemischen Menschen unerscheide. Ich habe nichts gegen die Menschen, ich habe als aufgeklärter Liberaler aber etwas gegen ihre Religion, weil sie die Einheit von Religion, Staat und Gesellschaft fordert.

Sie haben die Moslems aufgefordert, die Hälfte der Seiten aus dem Koran herauszureißen.

Wilders: Ja, das war aber nicht als Provokation gemeint, sondern entspricht meiner ehrlichen Überzeugung. Wie in der Bibel, wo sich der Tonfall des Neuen Testaments von dem des Alten doch sehr unterscheidet, gibt es auch im Koran Textteile ganz unterschiedlicher Qualität. Speziell der Medina-Teil zum Beispiel müßte nach meiner Meinung in den Niederlanden aus dem Koran entfernt werden, denn vor allem hier finden sich Suren mit intolerantem, gewalttätigem und kriminellem Inhalt. Sind wir doch mal ehrlich: Käme der Prophet Mohammed heute in unser Land, er würde aufgrund seiner Schriften als Terrorist und Haßprediger sofort ausgewiesen werden.

Seit neuestem fordern Sie, den Koran ganz zu verbieten.

Wilders: Denn inzwischen müssen wir erleben, daß in unserem eigenen Land jeden Tag islamische Menschen - seien sie nun religiös motiviert oder nur kulturell geprägt - ihnen mißliebige Bürger diskriminieren und gar tätlich angreifen. Konkret liegt meiner Forderung der Überfall islamistischer Schläger im August auf offener Straße auf Ehsan Jami zugrunde, einen mutiger Iraner, der hierzulande gegen die Verfolgung konvertierter Muslime kämpft. Denn wie Sie sicher wissen, bedroht der Islam Abtrünnige mit dem Tode.

Betrachten Sie den Islam nur als Bedrohung für unsere Freiheit oder auch für unsere Identität?

Wilders: Beides.

Wie definieren Sie unsere Identität?

Wilders: Ich nenne da zum Beispiel die Trennung von Kirche und Staat, die Gleichheit aller Bürger unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihren sexuellen Neigungen oder die persönliche Freiheit in Fragen der religiösen Überzeugung.

Also geht es Ihnen um das aufgeklärte, nicht um das christliche Europa?

Wilders: Aufklärung, Humanismus, Christentum und Judentum, das sind für mich die Säulen Europas. Ich selbst bin nicht religiös, aber ich respektiere den Christo-Judaismus als Grundlage unserer Kultur. Europa, das bedeutet Christentum, das sich im Laufe von 2.000 Jahren stark gewandelt hat. Ein Wandel, der dem Islam völlig fehlt. Wir sollten uns deshalb nicht leichtfertig auf die abwegige Vorstellung eines "modernen", "aufgeklärten" oder "europäischen" Islam einlassen. Wofür wir zweitausend Jahre und unzählige Kriege und Bürgerkriege gebraucht haben, das kann der Islam nicht eben mal so nachholen. Was wir nicht integrieren können, ist der Islam. Was wir dagegen integrieren müssen, wenn wir unsere Gesellschaft bewahren wollen, sind die Menschen, die Zuwanderer - aber nicht ihre islamische Kultur!

Von vielen Medien werden Sie als Rechtspopulist bezeichnet, von manchen gar als Rechtsextremist.

Wilders: So ein Unsinn, ich bin Demokrat! Ich kämpfe für nichts anderes als unsere demokratische Freiheit, Bürgerrechte und dafür, daß die Stimme der Menschen wieder gehört wird. In den Niederlanden gerät man für die positive Verwendung des Wortes Patriotismus unter die Anklage des Nationalismus. In Frankreich dagegen ist das Wort Patriotismus kein Problem. Ich bin kein Nationalist, ich bin Patriot, denn ich hasse nicht, ich liebe - ich will nicht zerstören, sondern bewahren, nämlich unsere Freiheit und Heimat. Die Leute glauben oft, daß wir mit unseren Warnungen übertreiben, das Problem der Islamisierung und der Einwanderung sei ja doch nicht so schlimm. Sie verschließen die Augen vor der Realität. Schauen Sie nach Amsterdam, die Mehrheit der Einwohner unter 18 Jahren dort ist bereits nicht mehr holländischer Abstammung!

Was muß Europa also tun?

Wilders: Erstens brauchen wir einen vollständigen Einwanderungsstopp für nicht-westliche Immigranten. Jedes Jahr wandern zum Beispiel 10.000 Moslems, also die Großenordnung einer Kleinstadt, in die Niederlande ein. Zweitens müssen wir verhindern, daß die islamische Kultur in Europa weiter wächst: keine weiteren Moscheen mehr und keine moslemischen Schulen! Drittens brauchen wir eine Verfassungsänderung, die das als verbindlich festschreibt, was Sie in Deutschland Leitkultur nennen - nicht Monokultur, aber Leitkultur! Viertens müssen wir den Kampf gegen islamische Radikale verstärken: keine Toleranz für Feinde unserer Verfassung! Und konsequente Abschiebung ausländischer Gewalttäter.

Würde das nicht angesichts der islamischen Realität in Europa zu einer Art Bürgerkrieg führen?

Wilders: Wir leben bereits in einer Art - kaltem - Bürgerkrieg. Nichts liegt mir ferner, als diesen Krieg zu forcieren, aber wenn wir uns nicht zur Wehr setzen, werden wir den Kampf um die Freiheit langfristig verlieren. Ich denke, daß wir Risiken eingehen müssen, um letztendlich eine Katastrophe zu vermeiden.

 

Geert Wilders wird seit 2004 vom niederländischen Geheimdienst versteckt. Der Vorsitzende der PVV, der erfolgreichsten liberal-orientierten Anti-Islam-Partei in Europa (JF berichtete mehrfach), muß seit Jahren mit Todesdrohungen von Islamisten leben. Seit den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh gilt der Parlamentsabgeordnete, Jahrgang 1963, als entschiedenster Islam-Kritiker der Niederlande und als einer der führenden in Europa.

Bis zu seinem Austritt aus der rechtsliberalen Regierungspartei VVD im September 2004 arbeitete er dort eng mit der inzwischen in die USA ausgewichenen Ayaan Hirsi Ali zusammen, mit der Theo van Gogh im selben Jahr den Film "Submission" gedreht hatte. Wilders' Islam-Kritik ist fundamental: Wie die vor einem Jahr verstorbene italienische Publizistin Oriana Fallaci betrachtet er den Islamismus nicht als einen Mißbrauch der Religion, sondern als unmittelbaren Ausdruck des Islam. Er selbst gilt politisch als Rechtsliberaler, "höchstens als Kulturkonservativer, denn ich bin zum Beispiel nicht gegen Abtreibung oder Homosexuellenrechte" (Wilders).

 

Partei der Freiheit: Nach seiner Trennung vom VVD gründete Wilders die "Gruppe Wilders", die sich Anfang 2006 in die Partij voor de Vrijheid (PVV) umbenannte. Im November schaffte sie überraschend - mit 5,9 Prozent der Stimmen - den Einzug ins Parlament. Seitdem gelingt es der PVV, ihre Position in der niederländischen Öffentlichkeit konsequent auszubauen. Weitere Informationen unter www.pvv.nl

 

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