© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Souffleur der Macht
Im linken Theorieorgan "PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft" werden Herfried Münklers imperiale Theorieproduktionen seziert
Oliver Busch

Zu "massenmedialer Präsenz" habe es der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler gebracht, den die "liberale Presse" seit Jahren als "kritischen Querdenker" und "Ein-Mann-Thinktank" inszeniere. Solche Erfolge erregen gewöhnlich Neid. Daß davon zumindest eine kleine Portion im Spiel ist, merkt man der Analyse Raul Zeliks an, der die politische Publizistik des Theoretikers der "neuen Kriege" auf den Seziertisch legt (PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft, 147/2007).

Obwohl der Medienliebling und Podiumsfürst Münkler bei Zelik am Ende wie der Kaiser mit neuen Kleidern dasteht, ist es dann doch nicht allein neidgespeiste Häme, die den "zentralen Stichwortgeber" in Sachen "globale Ordnung, Imperien, Staatszerfall" entzaubert. Dafür sind die von Münklers journalistischen Hilfstruppen gern verschwiegenen Schwächen dieses Theoriegerüsts zu offenkundig.

Keine Mühe bereit es Zelik, die Grundannahmen von Münklers inzwischen von der Bundeszentrale für politische Bildung verschleuderten Bändchens "Die neuen Kriege" (2002) zu demontieren. Daß der Staat westlichen Musters wie bei Carl Schmitt darin als Ordnungsgarant figuriert, der die "neuen Kriege" induzierende "Staatszerfall" außerhalb des atlantischen Raums unfähigen regionalen Eliten in die Schuhe geschoben wird, sei schon historisch unhaltbar. Denn auch der kompakten Macht europäischer Staaten sei die "Hegung" des Krieges nie recht gelungen.

Zelik verweist, ohne auf die britische Hungerblockade (1914-1919) oder den angelsächsischen Luftterror ab 1941 einzugehen, als Musterbeispiel für Exzesse der "Enthegung" natürlich nur auf den "systematischen Terror" einer "regulären Armee" wie der Wehrmacht.

Ungeachtet dieser politisch überaus korrekten Argumentation ist ihm aber nicht zu widersprechen, wenn er gegen Münklers "Umdeutung der Kriegsgeschichte" festhält, der "alteuropäische" Staatenkrieg sei keineswegs begrenzter als der irreguläre Krieg gewesen. Münklers Idealisierung von "Staatlichkeit" liefere nur die Folie für "Ordnungsdiskurse", die dem US-amerikanischen und europäischen Interventionismus zur geopolitischen Rechtfertigung dienten, indem sie durch die "Externalisierung von Gewalt und Terror" ein "diabolisiertes Außen" schüfen.

Bei Münkler sei es von dieser Basis aus nur noch ein kleiner Schritt bis zur "Einnahme einer neokolonialen Perspektive". Nicht verwunderlich, wenn "imperiale Sehnsucht" seine auf dem Buchmarkt erfolgreiche "Logik der Weltherrschaft" (2005) präge, die eine "globale Ordnung gleichberechtigter Staaten" für nicht erstrebenswert halte.

Hier verzichte der Politologe selbst auf den Schein von Wissenschaft und ordne sich nur "konkreten realpolitischen Vorhaben" unter. Daher bekämen seine "Auslassungen", wie Zelik höflich zahlreiche Fälschungen bezeichnet, "systematischen Charakter". Die dunklen Seiten imperialer Machtbildung würden verschwiegen, die Komplexität von "Imperialität" ignoriert. Immer wieder "lächerlich" sei der Umgang mit historischen Fakten. So wolle Münkler seinen Lesern weismachen, die USA seien erst nach 1975 zur imperialen Politik übergegangen - was allerdings offenkundig so falsch ist wie Zeliks Korrektur "nach 1945".

Münklers "imperiale Kampfschrift" werde breit rezipiert, weil diese Art von Politikberatung sich einerseits als Apologie der US-Hegemonie anbiete, andererseits den europäischen Eliten eine schlüssige Zukunftsvision offeriere: als "Subzentrum des imperialen Raums" mit den USA zusammen für globale Ordnung zu sorgen. Angesichts solcher weltpolitischen Herausforderungen, so ermutige Münkler die Europäer, müsse man sich auch um das Demokratiedefizit der EU nicht mehr kümmern. Das Europa der Eliten dürfe also losgelöst von den Bevölkerungen entscheiden.

Mit solchen Einflüsterungen habe Münkler endlich das Niveau eines Souffleurs der Macht erreicht. Mit Blick auf angelsächsische Vorläufer gesteht Zelik ihm dabei aber nicht einmal Originalität zu: "Deutschland kommt wieder mal zu spät, diesmal in Sachen imperialer Theorieproduktion."


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