© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 36/07 31. August 2007

Alles andere als ein Kegelclub
Scientology: Die Expertin Ursula Caberta hat ein "Schwarzbuch" veröffentlicht, in dem sie das Verbot der Organisation fordert
Anni Mursula

Nachdem es in Deutschland in den vergangenen Jahren um Scientology verhältnismäßig ruhig geworden war, scheint 2007 kein gutes Jahr für die amerikanische Organisation zu werden. Dabei dürfte das kürzlich von der Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology der Hamburger Innenbehörde, Ursula Caberta, veröffentlichte "Schwarzbuch Scientology" nur das jüngste Ärgernis für die Sekte sein. Denn schon Anfang des Jahres sorgte die Eröffnung ihrer Deutschlandzentrale in Berlin-Charlottenburg für heftige Proteste seitens der Medien und Politik (JF 5/07).

Vor einigen Wochen lösten die Dreharbeiten für den Film "Valkyrie", in dem der Hollywood-Schauspieler und bekennende Scientologe Tom Cruise den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg spielt, rege Diskussionen aus (JF 28/07). Für Aufruhr sorgte ebenfalls Ende Juli die Flucht der 14 Jahre alten Stieftochter der Berliner Scientology-Direktorin, die sich plötzlich bei Ursula Caberta in Hamburg meldete und um Unterstützung bat.

Das war nicht nur für die hiesige Presse ein gefundenes Fressen, sondern sicherlich auch für die ehemalige SPD- und WASG-Politikerin Caberta ein richtiger Glücksfall. Denn durch das Schicksal des Mädchens ist die Öffentlichkeit wieder an Scientology erinnert worden - was dem kommerziellen Erfolg von Cabertas neuem "Schwarzbuch Scientology" dienlich sein dürfte.

Seit über 15 Jahren schon leitet Caberta die in Deutschland einzigartige Aufklärungs- und Beratungsstelle zu Scientology. Damit gehört sie nicht nur hierzulande zu den bekanntesten Experten auf diesem Gebiet. Nun fordert sie zusammen mit dem parteilosen Hamburger Innensenator Udo Nagel ein Verbot von Scientology in Deutschland. Für sie ist der Grund für das Verbot klar: Scientology, 1954 von dem amerikanischen Science-Fiction-Autor Lafayette Ronald Hubbard gegründet, sei eine verfassungswidrige, totalitäre Organisation, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehne. "Scientology ist eine Gefahr für Menschen und Gesellschaft und eine verfassungsfeindliche, extremistische Organisation", sagt Caberta.

Doch die wenigen Kritiker, die zwar Scientology nicht in Schutz nehmen wollen, aber auf die demokratischen Grundwerte der Meinungsfreiheit pochen, warnen vor einem Verbotsverfahren: In einer Demokratie sollte das immer noch die Ausnahme bleiben.

Auch Caberta geht in ihrem Buch - das zwar einen guten Überblick über Scientology bietet, in dem jedoch nichts grundsätzlich Neues steht - auf die Meinungsfreiheit ein. Caberta betont, daß in einer Demokratie zwar jeder nach seiner Fasson glücklich werden dürfe. Doch bei dieser Sekte müsse man sich im klaren sein, daß es "wirklich nicht um Glauben", sondern um die kommerzielle "Verbreitung der Technologie des Herrn Hubbard" gehe. Es sei außerdem notwendig klarzustellen, daß, wer Teil des System Scientology sei, nicht einfach außerhalb als ganz normales Mitglied der Gesellschaft leben könne.

Scientology sei ein System mit eigenen Regeln, Rechten und Werten. Gerade deshalb sei ein Ausstieg aus der Organisation genauso schwierig wie aus anderen totalitären Systemen. Auch hier sei nicht nur die innere gegenseitige Kontrolle extrem stark, sondern auch die psychische Konditionierung - die Scientology-Expertin spricht sogar von Gehirnwäsche - des einzelnen Mitgliedes. "Man verläßt diese Organisation nicht einfach wie einen Kegelclub oder eine andere Gemeinschaft und macht nach dem Abenteuer bei der Hubbard-Truppe da weiter, wo man vorher aufgehört hat", schreibt Caberta. Der endgültige Ausstieg benötige viel Zeit: "Die Füße sind raus, der Kopf braucht noch eine Weile."

Doch die Organisation Scientology, die von Experten wie Caberta hauptsächlich als exzellente "Marketingfirma" eingestuft wird, hat dieses Jahr keine besonders gute Eigenwerbung gemacht: Denn bevor das "Schwarzbuch Scientology" veröffentlicht wurde, versuchte die Sekte alles, um die Publizierung zu verhindern. Das ist Scientology nicht gelungen, doch nebenbei haben sie Ursula Cabertas Buch dadurch mehr Bedeutung zugesprochen, als es vielleicht verdient hätte.

Foto: Deutschlandzentrale von Scientology in Berlin: "Die Füße sind raus, der Kopf braucht noch eine Weile"

Ursula Caberta: Schwarzbuch Scientology. Gütersloher Verlagshaus, München 2007, broschiert, 208 Seiten, 17,95 Euro.


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