© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

CD: Folk
Hart, kalt, schön
Daniel Körtel

In den 1980er Jahren schien sich die Tradition der in der Folkmusik wurzelnden Singer/Songwriter mit der akustischen Gitarre als wichtigstem Instrument mit Vertretern wie Bob Dylan und Joan Baez still verabschiedet zu haben - da fand sie mit der in Santa Monica/Kalifornien geborenen und in einem puertoricanischen Viertel in New York City aufgewachsenen Suzanne Vega einen talentierten Anknüpfungspunkt in die Zukunft. Mit ihrem Debütalbum "Suzanne Vega" begeisterte 1985 die damals gerade 25jährige Künstlerin die Kritiker, gefolgt von dem in den Hitparaden hochplazierten "Solitude Standing". Doch ihren größten Erfolg verdankte sie dem daraus von DNA zu einer Hiphop-Version verfremdeten A-Capella-Stück "Tom's Diner", das zu einem Klassiker wurde. Bedauerlicherweise konnten die nachfolgenden Werke, in denen sie sich teilweise etwas vom Folk zu Rock und Jazz entfernte, die früheren Erfolge nicht mehr wiederholen. Dennoch blieb sie als populäre Künstlerin bis heute stets präsent.

Suzanne Vega empfindet sich mehr als Dichterin, eine Kunst, die sie bereits in Kindestagen selbständig angeeignet und trainiert hat. Eigentlich war sie schon immer weniger eine Sängerin als eine Erzählerin von Kurzgeschichten im musikalischen Gewand. In ihren Liedern enthält sie sich im Gegensatz zu ihren Vorgängern den in dem Genre nicht unüblichen politischen Botschaften und geht mit intellektuell tiefgängigen Texten neue Wege. Romantische Weltflucht war dabei nie ihr Ding: "Ich wuchs auf in der harten Umgebung New Yorks, wo das, was man aus dem Fenster sieht, härter und kälter ist als das, was man sonst im Land sieht. Viele meiner bildhaften Vorstellungen handeln von Konfrontation, nicht Flucht." Ihr Blick richtet sich daher wie der einer Psychologin nach innen in die Tiefen und Untiefen der menschlichen Seele hinein.

Nach einer Pause von sechs Jahren erschien nun kürzlich Suzanne Vegas siebtes Album "Beauty & Crime" (Blue Note Records/EMI)) mit elf neuen Songs, das sie dem Andenken an ihren 2002 verstorbenen Bruder Tim widmete. In "Zephyr & I" werden die Erinnerungen an die gemeinsame Jugend in New York wachgerüttelt. Auch sonst steht in den Liedtexten thematisch ihre Heimatstadt New York im Mittelpunkt, so in "New York is a woman", das den ambivalenten Charakter der Stadt evoziert und ihre Wirkung auf Menschen, die zum ersten Mal dort sind ("From the 27th floor above the midtown roar / You were dazzled by her beauty and her crime"). Oder in dem letzten Titel des Albums, "Anniversary", in dem Vega das Trauma der Terroranschläge vom 11. September 2001 verarbeitet.

Das übrige Spektrum ihrer Themen gestaltet sich recht breit. In "Pornographer's Dream" begibt sie sich in die Abgründe männlicher Phantasien, in "Frank & Ava" beschäftigt sie sich mit dem wechselvollen Verhältnis von Frank Sinatra und Ava Gardner und geißelt in "Edith Wharton's Figurines" den modernen Schönheitswahn.

Mit "Beauty & Crime" ist Suzanne Vega ein hervorragendes Album gelungen, das qualitativ wieder an den Folk ihrer Anfangsjahre anknüpft, angereichert um kühl-moderne, aber melodische Syntheziser-Elemente. Ihre sanfte Stimme hat auch nach mehr als zwanzig Jahren nichts von ihrem jugendlichen Charme verloren.

Foto: S. Vega, "Beauty & Crime"


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