© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Zeitschriftenkritik: Rabenflug
Geistvoll wider den Ungeist
Werner Olles

Die seit 1991 halbjährlich erscheinende Kulturzeitschrift Rabenflug - Untertitel: Literatur - Kunst - Geschichte - überrascht ihre Leser immer wieder mit interessanten Essays, Gedichten und Kurzprosa. Dazu stellt sie in ihrem Rezensionsteil Bücher und Zeitschriften vor, die woanders meist keine Erwähnung finden. Die Zeitschrift hat sich zudem programmatisch zum Ziel gesetzt, Gegenwartsdichtung und neue Texte mit früherer Literatur und der Sprache vergangener Kultur zueinander in Bezug zu setzen und gegenüberzustellen. Daß ihr dies seit nunmehr siebzehn Jahren so vorzüglich gelingt, verdankt Rabenflug vor allem der engagierten Herausgeberin und Chefredakteurin Evelyne von Bonin.

Sie zitiert im Editorial der aktuellen Ausgabe den schweizerischen Schriftsteller Adolf Muschg, der 2007 wegen des würdelosen Verhaltens der Deutschen zu ihrer Kultur von seinem Amt als Präsident der Berliner Akademie der Künste zurückgetreten ist: Man müsse sich schämen, wie das gegenwärtige Deutschland mit seinen Beiträgen zur Weltzivilisation und Weltkultur umgehe. Der "(un)geistige Zustand dieses Landes" falle zunehmend ausländischen Beobachtern auf, bemerkt die Editorin und fragt sich und die Leser, ob es Hoffnung gebe, "daß eines Tages ein Geist einkehrt, der sich in einem wahrhaft freien und souveränen Deutschland zu den phänomenalen Leistungen in Kunst und Wissenschaft bekennt?"

Schwerpunktthema des vorliegenden Heftes ist das vor sechzig Jahren, am 25. Februar 1947, mit einem Federstrich durch die Alliierten aufgelöste Preußen: "Ein unsinniger, verbrecherischer Akt, nachwirkend bis in die Gegenwart mit negativen Auswirkungen in vielen Bereichen" (E. v. B.). So beschreibt Ehrhardt Bödecker in seinem Beitrag über "Die humane Bilanz Preußens" dann auch "einige Höhepunkte in der preußisch-deutschen Geschichte, denen andere Länder nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen haben". Leider sahen und sehen allzuviele Historiker in Preußen die Ursache für den Nationalsozialismus. Ihnen entgegnet der Autor mit einem Zitat des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Preußens bis 1932, Otto Braun, der in einem Briefwechsel 1947 sagte: "Dem international grassierenden Antipreußenkoller können wir nur mit Fakten begegnen." Doch der Haß der anglo-amerikanischen Regierungen auf Preußen kannte in der Tat keine Grenzen, und so zerteilten die Sieger des Zweiten Weltkrieges das Deutsche Reich in vier Zonen, beschlossen aufgrund einer britischen Initiative die Abtrennung der preußischen Ostgebiete und ordneten gleichzeitig die Austreibung der dortigen Bevölkerung an. "Es war die härteste, erbarmungsloseste und unmenschlichste Kriegsbeendigung in der neueren europäischen Geschichte", schreibt Bödecker.

Wolf Jobst Siedlers Essay "Der lange Weg in die Häßlichkeit" (JF 13/07) beschäftigt sich hingegen mit der geschmacklichen Verarmung von Handwerk und Kunst in der Moderne. Mit der Herstellung von Serienware von der Möbelindustrie bis zum Städtebau habe der Untergang jener alten Handwerkskultur Europas begonnen, "die über ein Jahrtausend durchgehalten hatte und nun längst hinter dem Horizont versunken ist".

Anschrift: Evelyne von Bonin, Herminenstr. 7, 65191 Wiesbaden. Einzelpreis 3,20 Euro, Jahresabo 6 Euro


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