© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 35/07 24. August 2007

Auf zum letzten Gefecht
Union: Die aktuelle Diskussion um den Stellenwert des Konservatismus in der CDU zeigt, wie weit die Partei bereits nach links gewandert ist
Paul Rosen

Der Konservativismus in der CDU wird derzeit beschworen wie die Schlange im Körbchen. Aber das Flötenkonzert von Parteichefin Angela Merkel, Generalsekretär Roland Pofalla und auch dessen Amtskollegen Markus Söder von der CSU bleibt wirkungslos. Das konservative Element in der CDU ist abgestorben. Wie ein Nachruf liest sich der Essay des früheren Mitstreiters von Heiner Geißler in der Bonner CDU-Parteizentrale, Wulf Schönbohm, in der Welt: "Das politische Profil der Union verschwimmt zunehmend in einer gefühligen, scheinliberalen Politische-Mitte-Soße, angereichert durch technokratische Einsprengsel, die sie aber auch nicht schmackhafter machen."

Schönbohm, der Bruder des brandenburgischen Innenministers Jörg Schönbohm, hat die Probleme beim Namen genannt. Die CDU bleibt deutschlandweit konstant unter 40 Prozent. Dabei hat Schönbohm noch auf den Hinweis verzichtet, daß es allein die bayerischen CSU-Werte sind, die der Union noch den Anschein einer großen Volkspartei geben: Denn ohne die CSU notierte die CDU bei der Bundestagswahl 2005 bei 27,8 Prozent. Die Christsozialen steuerten weitere 7,4 Prozent bei. Schönbohm wirft Merkel vor, sie habe dieses "selbstverschuldete, erschreckende Wahlergebnis" zu verantworten. Aber eine Debatte finde in der Partei nicht statt.

Die Bereiche, in denen die CDU (und teilweise die CSU) Positionen räumt, mit denen sie die konservative Wählerschaft erreichen könnte, sind markiert. Da ist das Antidiskriminierungsgesetz, das schärfer ist, als die EU verlangt. Da ist der Fall des ehemaligen Abgeordneten Martin Hohmann. Der bekennende Konservative wurde wegen mißverständlich wirkender Passagen in einer Rede aus der Union geworfen. In der Atomkraftdebatte läßt Merkel die Dinge mit Rücksicht auf die weiter ausstiegswillige SPD treiben. Dabei wäre die Atomkraft geeignet, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, wenn man der These von der Erderwärmung folgen will.

Aber beim Reizthema Klimawandel steht Merkel an der Spitze der Bewegung und weit vor den Grünen. Sie pilgerte nach Grönland, um sich tauendes Eis anzuschauen. Dabei sagen alle Zahlen, daß es mehrere tausend Jahre dauern würde, bis das grönländische Eis geschmolzen sein könnte, falls die Erwärmungsphase überhaupt so lange andauert. Es wäre Zeit für eine ernsthafte Debatte über das Klima. Statt dessen verhält sich die Kanzlerin wie ein mittelalterlicher Kaplan, der vor der Hexengefahr warnt.

Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Familienpolitik der Union sozialdemokratisiert. Kollektive Betreuung in Krippen statt Familie, lautet der Grundsatz. Die Straflosigkeit der Abtreibung ist überhaupt kein Thema mehr. In gesellschaftlich wichtigen Fragen wie dem Bau von hohen Minaretten, die bald Wahrzeichen deutscher Städte sein könnten, schweigt der größte Teil der CDU. "Ich hätte mir niemals träumen lassen, daß ich als ehemaliger Reformer in der CDU jemals in meinem politischen Leben dafür plädieren würde, ausgerechnet das konservative Profil der Union stärker hervorzuheben", stöhnt Schönbohm.

Derzeit gibt sich die CDU ein neues Programm. Kernbegriffe sind Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Diese Begriffe sind auch bei der SPD zu finden. "Die CDU wird auch darüber diskutieren, was es heißt, im 21. Jahrhundert konservativ zu sein", so die Vorsitzende. Und sie ergänzt: "Wir sind geprägt von dem christlichen Menschenbild." Doch die Aussagen bleiben leere Floskeln, weil es in der CDU keine prominenten Vertreter mehr gibt, die sich wirklich klar gegen Abtreibung, gegen Moscheebau und für Erziehung in der Familie aussprechen würden. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm, der wohl letzte Konservative in der Parteiführung, wurde aus dem CDU-Präsidium gewählt, der ehemalige Frak­tionschef Friedrich Merz, der Erfinder der Leitkultur, von Merkel vergrault.

Einigen jüngeren Politikern dämmert inzwischen, daß man etwas konservativer werden müsse. Die im Berliner Jargon inzwischen als "Schwarze Jedi-Ritter" bekannte Truppe inszenierte ein "Geheimtreffen" ausgerechnet im von Journalisten häufig frequentierten Café Einstein in Berlin. Gesehen wurden der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, der baden-württembergische Fraktionsvorsitzende Stefan Mappus, der Generalsekretär der nord­rhein-westfälischen CDU, Hendrik Wüst, und Söder von der CSU.

Sie wollen Leitlinien für einen modernen Konservativismus erarbeiten. Söder sagt, konservativ zu sein, sei ein "Alleinstellungsmerkmal" der Union. Und warnt: "Das Wort konservativ darf aber nicht nur ab und zu in Sonntagsreden vorkommen, es muß mit Leben erfüllt werden. Gerade jetzt, wo Deutschland scheinbar nach links rückt, muß eine Alternative in der rechten Mitte erkennbar sein."

Die Show im Café Einstein wird dazu nicht reichen, und Merkels Worte über Konservativismus und Christentum klingen hohl. Außerhalb der CDU sprießen bereits überall konservative Initiativen: Bürger einen sich im Widerstand gegen Moscheen, in den Weiten des Internet diskutieren Konservative über die drohende Islamisierung Europas. Das alles kann sich bündeln zu einer neuen politischen Kraft. Wulf Schönbohm appelliert an die Union, die rechte Mitte wieder zu besetzen: "Tut sie das nicht, lädt sie eine neue Partei dazu ein, diese Marktlücke zu schließen. Und dann gute Nacht, Union."


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen