© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Hiphop-Duo "Die Bandbreite": Im Visier der politisch Korrekten
Mit gefälschten Beweisen
Carsten Krystofiak

Das Ruhrgebiet wird europäische Kulturhauptstadt 2010. Oder wird der Ruhrpott jetzt zum Schurkenstaat? Eine Hiphop-Band aus dem Revier zieht den Zorn der politisch Korrekten auf sich. Rheinhausen, zwischen Duisburg und Oberhausen: Hier ist die Nachbarschaft der Sprechsänger von "Die Bandbreite". Die Gruppe war bisher vor allem regional erfolgreich. Kein Wunder, denn die Hiphop-Fans entlang der Emscher stehen auf den Sprechgesang mit dem typischen Kohlenpott-Akzent - Wat? Dat!

Doch anders als viele Vorbilder pflegen die jungen Künstler eben nicht nur ein "Gangsta"-Image. Sie trauen sich auch an politische Inhalte. Das kommt gerade im roten Revier gut an: Die Bandbreite ist zu Gast auf Ostermärschen, IG-Metall-Festen oder "YOUnite! gegen Rechts!"-Veranstaltungen.  Um so überraschender traf die Band jetzt selbst die Keule des Antisemitismus-Vorwurfs. Was ist passiert?

Anfang Juli veröffentlichte sie auf www.youtube.com ein Video zu ihrem Stück "Selbst gemacht". In diesem Lied haben sie die bekannten Skeptikertheorien zu den Anschlägen des 11. September 2001 zu einem Popsong verdichtet. Sänger Marcel Wojnarowicz entwickelt einen roten Faden mutmaßlich vorgeschobener Kriegsgründe der USA: "Ihr wolltet damals über Kuba ein Flugzeug sprengen, und dann Fidel Castro diesen Coup anhängen. Ich denke dann an den Golf von Tonkin in Vietnam, damals habt ihr behauptet, man griffe euch an, ein anderes Unterfangen, dat war ziemlich makaber, eigne Leute geopfert im Massaker von Pearl Harbor, ja die bösen Japaner, die euch nur dabei halfen, endlich mit in den Zweiten Weltkrieg einzugreifen. Sehr ergreifend auch, datt damals irakischen Soldaten in Krankenhäusern Babys aus den Brutkästen traten, es war'n Fake, ne Fälschung, ein PR-Gag von euch, doch hat dat für den Eintritt in den Golfkrieg gereicht. Und da macht ihr's mir leicht, mit dem 11. September, denn an eurem Verhalten hat sich gar nix geändert. Zwei weitere Länder legt ihr gleichsam in Eisen, führt nen Krieg im Irak mit gefälschten Beweisen."

Diese historische Kette verknüpft der Text mit den Ungereimtheiten der Anschläge vom 11. September 2001. Das Fazit zieht Rapper Wojna im Refrain des Liedes: "Habt ihr das vielleicht selbst gemacht?"

Kurz nach Veröffentlichung im Internet bekam das Hagener Kulturprojekt Kultopia Post. Absender: ein offiziös auftretender "Arbeitskreis Dialoge, Halle-Wittenberg-Berlin". Der ist laut Schreiben "verwundert", daß Die Bandbreite für das Hagener "Rap für Courage"-Festival des Jugendarbeitsträgers Kultopia engagiert wurde. Unverhohlen drohen die Unterzeichner: "Wir hoffen, daß die Gruppe nicht in Ihrem Kulturprojekt auftreten wird, und behalten uns andernfalls den Gang an die Öffentlichkeit vor, da nach den Inhalten von Kultur im Verständnis Ihres Bildungsträgers zu fragen sein wird!"

Begründung: "Wie können deutsche Jugendliche überhaupt behaupten, für einen Eingriff in den Zweiten  Weltkrieg hätten die Vereinigten Staaten einen rechtfertigenden Grund gebraucht?" Dies seien "antiamerikanische und antisemitische Ressentiments", wie sie in "antisemitischen und rechtsextremen" Kreisen kursierten. Diesen dürfe man kein Podium bieten.

Statt dessen empfehlen die Absender Lisa Renn und Hagen Illmann der städtischen Einrichtung, den Jugendlichen "einen Vortrag über die Vielschichtigkeit des Islam, die eben auch das Terrornetzwerk al-Qaida umfaßt", zu Gehör zu bringen. Sehr praktisch, daß Renn und Illmann solche Seminare auf ihrer Internetseite bei MySpace selbst anbieten.

Durch die Konzertveranstalter mit dem Schreiben konfrontiert, reagierte die Band umgehend mit einer Videobotschaft, die ebenfalls auf youtube.com zu sehen ist. Rapper Wojna kritisiert: "Wenn ihr euch schon Arbeitskreis Dialoge nennt, hättet ihr einfach mit mir in einen Dialog treten können, statt mich bei meinem Arbeitgeber, dem Konzertveranstalter, zu diffamieren. Ich lasse mich von euch nicht in diese Ecke drängen und mich meiner Meinungsfreiheit berauben."

Die Musiker sind besonders ob des Vorwurfs des Antisemitismus konsterniert: "Haben wir irgendwas von jüdischem Einfluß auf die US-Politik gesagt?!" Haben sie nicht. Das sehen auch die Konzertveranstalter so und haben sich, wie Wojnarowicz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigt, ausdrücklich mit den diffamierten Künstlern solidarisiert. Kultopia erklärt: "Wir lassen uns nicht vorschreiben, wer bei uns auftritt. Jeder kann hier seine Meinung äußern." Und so wird das "Rap für Courage"-Festival am 24. August mit Die Bandbreite stattfinden. Außerdem, so erklärt man in dem Jugendzentrum, sei man froh über politische Auseinandersetzungen im ansonsten von stupidem Geprotze dominierten Hiphop.

Nur der ominöse Arbeitskreis Dialoge ist für keine Auseinandersetzung erreichbar. "Wir haben alles versucht, mit ihnen in Verbindung zu treten. Aber kein Echo erhalten", erklärt Wojnarowicz der JF irritiert, "wer weiß, wer wirklich dahintersteckt?"


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen