© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Heute gibt's Persil
Ausstellung I: Schürzen im Wandel des Zeitgeistes
Ellen Kositza

Die Auflösung von Sitten und Gebräuchen gehört ebenso zum Zeitalter eines umfassenden Gleichheitspostulats wie das Verschwinden von Alltagsgegenständen. Ob Nationalwährung, Sonntagsstaat oder Handkuß: Wo sämtliche Hierarchien flach gehalten werden, entfällt für all dies die Notwendigkeit. Nur Nostalgiker pflegen an dergleichen festzuhalten, sie pflegt der Ruch des leicht Verkrampften zu begleiten.

Nehmen wir die Schürze: Wo finden wir sie heute noch, und wie finden wir sie? Wir empfinden sie als lästig, unnütz und als Symbol des Heimchens. Wo die Nostalgikerin ihre leise Wehmut beim Anblick der stets beschürzten alten Frauen zum Ausdruck bringt, die da allabendlich auf den Bänken der Dorfstraße zusammenfinden, verdreht die Pragmatikerin die Augen: Du liebe Güte, dieser scheußliche Polyacryl-Mist, als würde sich bei diesen Sauberfrauen nicht ohnehin ständig die Waschmaschine drehen! Wozu eine Schürze im Zeitalter des Vollwaschmittels!

 Tatsächlich ist die 600jährige mitteleuropäische Tradition des Schürzetragens eine aussterbende. Allein in der Männerwelt besteht sie als Relikt weiter: als Gebrauchsutensil in einigen Handwerksberufen, als Grillschürze mit ungemein witzigen Aufdrucken ("Hier kocht der Chef" et cetera) oder als knappes, spitzenbesetztes Accessoire für sexuelle Männerphantasien; das Angebot entsprechender Kataloge verweist auf eine rege Nachfrage. Dabei hat dieser augenzwinkernde Spruch einen bereits urgroßväterlichen Bart: "Bei der Schürze liegt die Würze in der Kürze!"

Das Fräulein mit der gestärkten, reinweißen Leinenschürze aus der Dallmayr-Werbung verheißt dagegen alles andere als schmutzige Gedanken; statt dessen Sauberkeit, Biedersinn und eine Welt, die noch ganz und gar in Ordnung ist. In der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Welt kamen im Tragen der je angemessenen Schürze Verhaltensnormen und soziale Stellung zum Ausdruck: Kurz, kombiniert mit Hosen, trug der Meister, den knielangen Kittel der Geselle; reinweiß war die Schürze der wohlhabenden Hausherrin, bestickte Tändelschürzen dagegen boten das ästhetische Pendant zum heutigen bauchfreien Top. Eine überaus kurzweilige Schürzenparade dürfen derzeit Besucher des Thüringer Volkskundemuseum in Erfurt abnehmen: Anhand vielfältiger Leihgaben bestaunt man das "Arschleder" des Bergmanns, diverse Adelsschürzen, die Bockschürze als Verhütungsinstrument für das Nutzvieh und erfährt vom Überleben der Schürzentradition in DDR-Kindergärten - mit strengen geschlechtsspezifischen Unterschieden! - sowie dem Siegeszug der schürzenlosen Freizeitkleidung.

Erst die spätere Nachkriegszeit mit ihrer Enthierarchisierung von Alltag und Festtag, von Haushalt und Beruf und nicht zuletzt mit der umfassenden Verbreitung der Waschmaschine hat aus der Schürze ein patriarchalisches "Medium der kulturellen Genderkonstruktion" gemacht. Die Schürzenfrauen auf der Dorfbank mögen angesichts solcher Begriffsungetümer die Stirn runzeln. Sie sind denn auch beinahe die einzigen, die sonntags unbejeanst zum Kirchgang erscheinen.

Eine Verwandte, geplagt von der Sorge um die womöglich mangelhafte Emanzipation unserer Kinder, schenkt gern Bilderbücher des Kinderbuchklassikers Eric Carlé (Jahrgang 1929): Voriges Jahr gab es die Geschichte vom Seepferdchenmann, der den Nachwuchs behütet, dieses Jahr für den Knaben das Jungenbuch "Meine Schürze" mit beiliegendem Utensil. Sohnemann trägt sie gern - wenn er in seiner Männerwerkstatt mit Ölkännchen hantiert, um die Lager des Traktors zu schmieren.

Die Ausstellung "Schürzenparade. Kulturgeschichtliches zu einem Alltagsutensil" ist noch bis zum 26. August im Museum für Thüringer Volkskunde, Juri-Gagarin-Ring 140a, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Tel.: 03 61 / 6 55 56 07


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