© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

Alarmierendes Versagen
Der Fall Industriekreditbank: Die US-Immobilienkrise deckt auch Schwachstellen im Euro-System auf
Wilhelm Hankel

Die sich ausweitende Krise am US-Immobilienmarkt sorgt nun auch in der deutschen Bankenlandschaft für Unruhe. Hauptgrund hierfür ist der Fast-Konkurs der renommierten Industriekreditbank (IKB), einer Säule der hiesigen Mittelstandsfinanzierung. Das 1924 in Berlin als Bank für Industrieobligationen (Bafio) gegründete Geldinstitut, das 1949 als IKB in Düsseldorf wiederbelebt wurde, hatte sich seit einigen Jahren mit seinem Fonds "Rhineland Funding" im gewinnträchtigen, aber zugleich hochriskanten US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite (Subprime) engagiert - und verspekuliert.

Daß der Mittelstandssektor eine bundesweite Bankenkrise auslösen könnte, galt bislang als unwahrscheinlich. Im Krisenhandbuch für das deutsche Kreditwesen kam der Fall nicht vor. Doch mit der IKB-Krise scheint er nicht so weit hergeholt. Mit dem Alarmruf, es drohe ein Flächenbrand im deutschen Bankgewerbe, rief die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) letzte Woche die an den IKB beteiligten und interessierten Banken - die staatseigene Großaktionärin Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an der Spitze - zur kollektiven Rettungsaktion auf.

Vergessen waren die den Exponenten des Gewerbes sonst so leicht von den Lippen gehenden Sprüche: Man werde für selbstverursachte Verluste selber aufkommen und nicht versuchen, diese zu sozialisieren. Am Tisch las man es anders. Die IKB hatte sich am geschäftsfremden US-Immobilienmarkt verzockt, ihre Schieflage jedoch erfolgreich vor ihren Aufsichtsgremien verborgen. Jetzt verlangte der Chef der BaFin (die nichts davon bemerkt hatte) kategorisch die Sanierung unter Aufsicht und mit dem öffentlichen Geld der KfW. Aber woanders wird es nun fehlen!

Der Fall wirft drei ungemütliche Fragen auf. Die erste: Warum griff diesmal nicht diskret die für solche Fälle zuständige Feuerlöschpolizei des Bankengewerbes ein, ihr Feuerwehrfonds? Warum mußte erst mit viel Tamtam eine spektakuläre Notoperation in Szene gesetzt werden? Die zweite: Was sind die mit viel Selbstlob kommentierten Verhaltensregeln des Gewerbes à la Basel I und II eigentlich wert, wenn sie genau das zulassen, was sie verhindern sollen: das Eingehen unvertretbarer Risiken? Und die dritte: Wie glaubhaft ist das Pochen auf Selbstverantwortung und Managerhaftung, wenn es im Ernstfall doch keine Alternative zum Rückgriff auf den Staat und die Sozialisierung der Verluste gibt? Wenn ein Gewerbe eingesteht, selbstgeschaffene Risiken letztlich doch nicht schultern zu können, kann es gleich den Antrag auf seine Verstaatlichung stellen!

Im globalen Geldgeschäft gelten keine Grenzen, weder räumliche noch geschäftliche. Erlaubt ist, was Gewinn bringt und die Verlustgefahr scheinbar gering hält. Es ist nicht wie bei Rindern, wo die BSE-Gefahr sichtbar ist und der Maul- und Klauenseuchenbefall kontrolliert wird. Wer wie der Bankmanager sein Risiko selber bewertet, läuft immer Gefahr, dieses zu unterschätzen. Das ist der IKB passiert und kürzlich der WestLB. Beide Fälle werden (man kann sicher sein) nicht die letzten sein, weder hier noch in einem anderen Euro-Land. Sollen sie nicht zum permanenten Einsatz des Staates bei der Bankensanierung (mit der Endstufe der Bankenverstaatlichung) führen, wird man die Fehler und Schwachstellen im Gesamtsystem erkennen und beseitigen müssen.

Schützen vor ihnen kann nur eine Bankaufsicht, die die Bankbilanzen laufend überprüft: keine praxisferne Behörde wie die BaFin, sondern die Deutsche Bundesbank; nur sie könnte permanenten Sündern auch den Geldhahn für solche Geschäfte abdrehen. Leider hat man im Euro-System das (im Anschluß an die Bankenenquête von 1968) in Deutschland geschaffene Selbsthilfesystem zur Vermeidung von Kreditkrisen ausgehebelt.

Im Liko-Konsortium fehlt der wichtigste, weil stets liquide Akteur: die Bundesbank. Sie hat ihre Funktion an die Europäische Zentralbank (EZB) abgetreten. Doch diese kann (und darf) als Dreizehn-Länder-Bank nicht in nationale Notfälle eingreifen. Wann und wo immer es in einem der dreizehn Euro-Länder kriselt: Das Bankgewerbe muß sich entweder selber helfen oder den Staat anrufen. Die IKB droht so zu einem europäischen Menetekel zu werden. Zur Vertrauensbildung in die europäischen Bankensysteme und Finanzmärkte trägt die negative Arbeitsteilung zwischen EZB und nationalen Zentralbanken (NZB) und die daraus resultierende Unsicherheit für die Zuständigkeit in Fragen von Bankaufsicht und -sicherheit nicht bei. Und der Ersatz gesetzlich-verbindlicher Regelvorgaben für die Bankwelt durch freiwillige (und sanktionslose) Vereinbarungen à la Basel? Schon die nächste Bankenkrise im nächsten Euro-Land wird zeigen, daß auf sie kein Verlaß ist.

Bevor nicht alle Euro-Länder die Bankaufsicht ihren NZB übertragen und dem deutschen Kreditwesengesetz (KWG) nachgebildete Auflagen für das Bankgeschäft einführen und es dem Staat nicht mehr überlassen, ob, wo, wann und wie er bei Kreditkrisen eingreift, werden Blitze aus fernen Gewitterfronten wie der am US-Immobilienmarkt jederzeit auch bei uns einschlagen und Großschäden verursachen. Verbindliche Bilanzregeln können das verhindern. Erst nach diesen Reformen kann sich das Euro-System mit dem trotz schwelender Immobilienkrise besser geregelten US-System vergleichen.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel lehrt seit 1967 Währungspolitik an der Universität Frankfurt am Main. Er war unter Karl Schiller Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht. Unter seiner Ägide entstand die Bankenenquête von 1968.

Foto: IKB-Zentrale in Düsseldorf: Die staatseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau führte die Rettungsaktion an


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