© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/07 17. August 2007

"Empörung und Entsetzen"
Gedenkpolitik: Gegner verteilen Flugblätter an Gäste der Opernaufführung im Marine-Ehrenmal Laboe / Vertriebene schließen sich Protesten an
Hans-Joachim von Leesen

Als am vergangenen Sonntagabend die Besucher der Opernaufführung im Marine-Ehrenmal in Laboe eintrafen, wurden sie von Gegnern der Veranstaltung empfangen, die ihnen ein Informationsblatt überreichten. Daß sie nicht zum veranstaltenden Deutschen Marinebund gehörten, war deutlich, da Herren in blauen Blazern, das Marinebund-Logo auf der Brust, mit Argusaugen darüber wachten, daß die Verteiler auch nicht mit der Fußspitze das Ehrenmalsgelände betraten.

Die Opernfreunde wurden durch das Flugblatt der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft darüber informiert, daß die Verdi-Oper "Nabucco" auf dem Dach der Gedächtnishalle eines Ehrenmals für gefallene deutsche Soldaten dargeboten wird - ein ungewöhnlicher Ort für eine Theateraufführung. Weiter hieß es: "Schon vor einigen Jahren begann man, den Sinn des Ehrenmals aus politischen Gründen zu manipulieren. Damit war das Tor aufgestoßen zu weiterem Mißbrauch. Nach Ansicht vieler Menschen gehört dazu auch, daß man heute auf dem Gelände des Ehrenmals zur Belustigung des Publikums die Oper 'Nabucco' aufführt." Die Besucher wurden gefragt: "Könnten Sie sich vorstellen, daß sich dergleichen auf dem Gelände von Gefallenen-Ehrenmälern etwa in den USA, Rußland, Frankreich oder Großbritannien abspielen könnte? Die Frage stellen, heißt sie beantworten." Zur Überraschung der Verteiler wurden die Flugblätter selten mit zeitgeistkonformen Bemerkungen abgelehnt. Überwiegend zeigten sich die Empfänger interessiert und ließen sich auf kleine, durchaus positiv verlaufende Gespräche ein.

Unter den Angesprochenen waren auch ehemalige Marineangehörige, die zwar nicht die Opernaufführung besuchen wollten, wohl aber mit einiger Erbitterung den Mißbrauch des Ehrenmals beobachteten.

Tatsächlich hatte sich die Front der Ablehnung in den letzten Wochen verstärkt. Immer mehr Zeitungen hatten die von der JUNGEN FREIHEIT angestoßene Diskussion (JF 13/07) um die Frage weitergeführt, ob es nicht entwürdigend sei, ein Ehrenmal für gefallene Soldaten als Opernbühne zu nutzen, nur um einige Einnahmen zu erzielen.

Der Vorsitzende des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU, Winfred Fischera, hatte sich beschwerdeführend an den Präsidenten des Deutschen Marinebundes sowie an die Gemeinde Laboe gewandt, weil das Marine-Ehrenmal auch für die Vertriebenen und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und ihre Angehörigen zentraler Gedenkort sei. Hier werde an die auf See gebliebenen Vertriebenen und Flüchtlinge sowie die im Einsatz während der Flucht über die Ostsee gefallenen Soldaten der Kriegsmarine erinnert.

Tatsächlich birgt das Ehrenmal bislang noch einen Raum, der dem Andenken an die Flucht über die Ostsee am Ende des Zweiten Weltkrieges gewidmet ist. "Aus weiten Teilen der Vertriebenen-Organisationen", so der CDU-Politiker, "erreichen uns zunehmend Stimmen von Überlebenden und Angehörigen, die das Vorhaben, im Ehrenmal eine kommerzielle Musikveranstaltung mit Unterhaltungscharakter abzuhalten, mit Empörung und Entsetzen zur Kenntnis genommen haben."

Der frühere Beratende Historiker des DMB, Fregattenkapitän a. D. Dieter Hartwig, der in der Öffentlichkeit für die dem Musikspektakel vorangegangene Umwidmung des Ehrenmals für die deutschen Gefallenen in eine "Gedenkstätte für die auf See Gebliebenen alter Nationen" verantwortlich gemacht wird, beteuert neuerdings, man tue ihm Unrecht.

Als er zum Marinebund kam, sei die Umwidmung bereits beschlossene Sache gewesen, so daß er nur noch das ausführende Organ war. Jetzt bedauere er die "willkürliche und entwürdigende kommerzielle Zwecknutzung des Ehrenmals durch die Opernaufführung". Dem Brief, mit dem er den DMB aufgefordert hatte, die Opernaufführung abzusagen, hatte sich nicht nur eine bemerkenswerte Anzahl führender sozialdemokratischer Politiker aus Schleswig-Holstein angeschlossen, sondern auch mehrere pensionierte Admirale der Deutschen Marine sowie ein Lieutenant Commander der United States Navy und der renommierte Historiker Michael Salewski, emeritierter Professor der Universität Kiel, der die Opernaufführung in Laboe ein "Sakrileg" nennt.

Das am Eingang verteilte Flugblatt endet versöhnlich: "Es wäre schön, wenn Sie sich nicht nur die Oper anschauen und anhören, sondern auch an den Sinn des Marine-Ehrenmals denken würden. Und wenn Sie in den nächsten Tagen einmal wiederkommen, um das Ehrenmal zu besuchen, dann hätte das heutigen Spektakel einen Sinn gehabt."


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