© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 33/07 10. August 2007

Gedenkhalle wird zur Opernbühne
Geschichtspolitik: Im Marine-Ehrenmal in Laboe wird an diesem Wochenende "Nabucco" aufgeführt / Geldmangel als Begründung
Hans-Joachim von Leesen

Trotz heftiger Proteste verwandelt sich an diesem Wochenende das Marine-Ehrenmal in Laboe in Schleswig-Holstein in eine Opernbühne. Die Verdi-Oper "Nabucco", dargeboten von einem polnischen Ensemble auf dem Gelände des Ehrenmals an der Kieler Förde, "dürfte nicht nur für Opernkenner, sondern auch für die Freunde leichter musikalischer Kost ein Musikerlebnis werden", schrieben die Kieler Nachrichten.

Seitdem im März durch die Veröffentlichung in der JUNGEN FREIHEIT (JF 13/07) dieser Plan des Präsidiums des Deutschen Marinebundes (DMB) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, bereitete sich Unruhe vor allem in Kreisen der Marine aus, darüber hinaus aber auch bei vielen geschichtsbewußten Deutschen.

Mehrere Zeitungen griffen die Berichterstattung der JF auf, die in vielen Marinekameradschaften überall im Lande lebhafte Diskussionen auslöste. Sie führten zu Protesten nicht nur beim Präsidium des DMB, in dem vorwiegend Unteroffiziere und Mannschaften organisiert sind, sondern auch beim Parallelverband, der Marine-Offizier-Vereinigung (MOV). Bei dessen Jahreshauptversammlung wurde sogar gefordert, die traditionelle Sammlung für das Marine-Ehrenmal zu unterlassen, da man sich mit diesem Ehrenmal nicht mehr identifizieren könne.

Vor allem nahm man daran Anstoß, daß das Dach der Gedenkhalle jenes international geschätzten Ehrenmals zu einer Vergnügungsstätte werden sollte. In zahlreichen Briefen wurde von einem "Sakrileg" gesprochen; die Schreiber wiesen darauf hin, daß das Ehrenmal eine Art Friedhof für die deutschen Gefallenen des Ersten und des Zweiten Weltkrieges sei, die kein Grab in der Erde gefunden hatten. Hier konnten die Angehörigen um ihre toten Söhne, Väter und Ehegatten trauern.

Dieses Gedenken stand bis 2004 im Zentrum des Ehrenmals, bis es der DMB durch den von ihm beauftragten Historiker dem Zeitgeist anpaßte und internationalisierte, indem er im Zentrum der Eingangshalle den Spruch anbringen ließ: "Gedenkstätte für die auf dem Meer gebliebenen Seeleute aller Nationen. Mahnmal für eine friedliche Seefahrt auf allen Meeren."

In den Antworten der jeweiligen Vereinsvorstände las man als Begründung für die Kommerzialisierung des Ehrenmals, der DMB brauche Geld, um das Bauwerk zu unterhalten. Tatsächlich ist der DMB in eine schwierige Lage geraten. Die Zahl der Mitglieder der Marinekameradschaften, die den DMB bilden, ist von 25.000 im Jahr 1999 auf 15.500 gesunken. Nur noch etwa 130.000 Besucher zahlten Eintrittsgeld gegenüber 365.000 vor 15 Jahren.

Unbestritten: Es müssen Mittel beschafft werden, wenn das Ehrenmal nicht verfallen soll. So hat denn auch jener ehemalige Beratende Historiker des DMB, Fregattenkapitän a. D.  Dieter Hartwig (SPD), der vor drei Jahren als erster den Sinn des Ehrenmals durch eine Veränderung der Widmungsschrift dem Zeitgeist anpaßte, zunächst gegen die "willkürliche und entwürdigende kommerzielle Zwecknutzung" des Ehrenmals protestiert und die wirklichkeitsfremde Forderung erhoben, die Opernaufführung abzusetzen. (Antwort: Das wäre "gerade gegenüber Polen ein Affront".) Dann setzte Hartwig nach und bat die 250 Unterzeichner seiner Resolution um "erkennbare" Geldspenden.

Tatsächlich aber wäre zuallererst die Bundesregierung gefordert. Deutschland ist wohl das einzige am Zweiten Weltkrieg beteiligte Land, dessen Regierung keinen Cent für die Erhaltung der Denkmale für ihre Gefallenen ausgibt, sondern diese Aufgabe allein privaten Organisationen und Personen überläßt - genauso wie die Pflege der Kriegsgräber, zu deren Gesamtkosten der Bund gerade einmal zehn Prozent zuschießt. Im Gegensatz dazu geben Bund und Länder Millionen Euro aus für die Restaurierung und Pflege sowjetischer Siegesmale und Kriegsgräber.

Auch die heutige Deutsche Marine hat bislang keinerlei Anstrengungen unternommen, sich an der Finanzierung des Laboer Ehrenmals zu beteiligen. Es fragt sich auch, ob nicht pensionierten Admiralen, von denen es eine große Anzahl gibt, zuzumuten wäre, eine einmalige Sonderspende von je etwa 1.000 Euro für das Ehrenmal lockerzumachen.

Und schließlich müßte die Umwidmung des Ehrenmals in eine Gedenkstätte für die auf See gebliebenen Seeleute "aller Nationen" Konsequenzen haben.

Haben eigentlich die anderen Nationen darum gebeten, daß ihre Gefallenen in das Gedenken des deutschen Marine-Ehrenmals einbezogen werden? Dann wäre es jetzt angebracht, diese Nationen um Spenden für die Erhaltung des Ehrenmals, das auch ihres ist, zu bitten. Oder war es nichts als Anbiederung des DMB-Präsidiums und seines Beratenden Historikers, die anderen Nationen unaufgefordert einzubinden?

Wie man hört, hat der Chef des Marineamts, Konteradmiral Ulrich Otto, vor wenigen Wochen in einem Gespräch dem Präsidenten des DMB, Oberstabsbootmann a. D. Karl Heid, nicht nur erklärt, er stimme dem Opernspektakel auf dem Gelände des Ehrenmals zu, sondern auch versichert, die Marine werde den Deutschen Marinebund unterstützen auf dem Weg "in eine gesicherte Zukunft". Man wird sehen.

Foto: Marine-Ehrenmal in Laboe, Werbeplakat: Trauer um Gefallene


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